Nimm's mal direkt!
Überlegungen zum Szenenstudium an der Universität Mozarteum Salzburg
von Christoph Lepschy, Kai Ohrem und Helmut Zhuber
Erschienen in: Lektionen 4: Schauspielen Ausbildung (12/2010)
Überlegungen zum Szenenstudium an der Universität Mozarteum Salzburg
„Wenn ich anders reden würde, hätte ich auf der Schauspielschule meine Karriere gemacht.“
Thomas Müller, Mittelfeldspieler der deutschen Nationalmannschaft, nach dem WM-Achtelfinalspiel 2010 gegen England auf die Frage eines ORF-Reporters, woher das kommt, dass er genauso spricht, wie er spielt, geradeheraus, direkt und ohne Schnörkel.
I.
Zwei Aspekte sind an dieser kleinen Szene am Rande eines Fußballspiels bemerkenswert: Erstens deutet der Wortwechsel auf den enormen Marktwert, den „Direktheit“ als Darstellungsmodus auch jenseits des Theaters mittlerweile erzeugt. Zweitens scheint Thomas Müller eine etwas veraltete Vorstellung vom Geschehen auf zeitgenössischen Theaterbühnen zu haben. Andernfalls wüsste er, wie hoch im Kurs genau jene schnörkellose „Direktheit“ dort steht. „Nimm’s mal direkt!“ ist dementsprechend eine der geläufigsten Regieanweisungen, die man derzeit auf den Proben zeitgenössischer Schauspielproduktionen im deutschsprachigen Raum hören kann. Sie drückt den Wunsch aus, eben jenen direkten Ton, über den der Torschützenkönig der WM 2010 auch vor einem Millionenpublikum so mühelos zu verfügen scheint, auch auf der Bühne hören zu wollen. „Direktheit“ ist längst ein weitreichendes ästhetisches Paradigma gegenwärtigen Theaterschaffens geworden.
Bei aller Verschiedenheit der Spielweisen, bei aller Divergenz der ästhetischen Konzepte gegenwärtigen Theaterschaffens – gerade dieser Satz ist interessanterweise über alle ästhetischen und inhaltlichen...