Theater der Zeit

„Ne travaillez jamais!“

von Ulrike Haß

Erschienen in: Kraftfeld Chor – Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek (01/2021)

Assoziationen: Theatergeschichte

„Ne travaillez jamais“ (Arbeit? Niemals!), 1953 malte Debord diese Parole an eine Wand in der Rue de Seine von Paris
„Ne travaillez jamais“ (Arbeit? Niemals!), 1953 malte Debord diese Parole an eine Wand in der Rue de Seine von Paris

Als Beziehungsweise bilden Herr und Knecht die Form eines unauflöslich, hierarchisch ineinander verschränkten Paares. Ihre wechselseitige Definition verhindert jede Möglichkeit einer Separation. Ihre Abhängigkeit ist der Art, dass sie die Pole ihrer partiellen Identität als Herr oder Knecht zwar untereinander tauschen können, aber sie können sich nicht auftrennen. Eine Auflösung ihrer Beziehung ginge mit dem vollständigen Verlust ihrer Identität einher. Wie im Fall der Selbstentthronung von Richard II. wäre das aus der Machtbeziehung gefallene Wesen nicht etwa der so genannte, sprichwörtliche nackte Mensch, sondern sehr viel weniger: ein undefinierbarer Rest, der nicht mehr als Körper oder als Bild kenntlich zu machen wäre. Dieser Rest bildet nur noch ein unfassliches Gewebe aus Affekten und somatischen Regungen, die höchstens noch zum Rohstoff gesellschaftlicher Bande taugen. Doch zunächst erscheint das Paar von Herr und Knecht im Scheitelpunkt der Moderne und bildet eine totalitäre Beziehung aus. Worauf beruht der Totalitarismus, der ihrer Beziehungsform innewohnt?

Moderne Gesellschaften ‚nach der Souveränität‘ fördern und bewirtschaften die Individualität von Einzelnen, die zahllosen Disziplinierungen unterzogen werden. Aber die Erbschaften einer in den Souveränitätsgefügen ehemals geheiligten Hierarchie enden damit nicht einfach. Sie wirken in den Reglementierungsversuchen der Disziplinen fort und stützen ihre fragilen Normgerüste. Besonders eng vermählen sich Elemente der...

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