Einem Tsunami gleich türmte sich das Medieninteresse im Vorfeld der Inszenierung von „Mein Kampf“ am Theater Konstanz auf. Es hatte sich an der äußerst provokanten Idee der Regie entzündet, die Vergabe der Eintrittskarten an das Tragen von Davidstern oder Hakenkreuz zu koppeln. Bei der Premiere jedoch blieb von der geplanten Einbeziehung des Publikums nichts mehr übrig. Insofern konnte der Rezensent die zweite Aufführung in wohltuender Ruhe besuchen, ohne Polizeischutz und ohne Medienvertreter, welche sich vornehmlich für den Skandal interessierten. Der Blick auf die Inszenierung war frei.
Im Publikum sitzt Klaus Redlin, langjähriger Protagonist des Konstanzer Schauspielensembles und inzwischen in Rente. Er hatte den Schlomo Herzl aus Taboris Farce im Konstanzer Theater der neunziger Jahre selbst gespielt. Seine private Einschätzung als Zuschauer nach dem Schlussapplaus? „Schwer zu verdauen“ sei diese Inszenierung. Das war beschreibend gemeint, nicht wertend. Dem ist wenig hinzuzufügen. Tatsächlich geht Serdar Somuncus Blick nicht primär zurück in die frühe Zeit der Wiener Kunstakademie, in der Tabori sein Stück spielen lässt: Hitler als Versager trifft auf den Juden Schlomo Herzl. Somuncus Interesse speist sich aus der Gegenwart. Er leuchtet Grundgedanken des Nationalsozialismus grell aus, die sich heute wieder im Aufwind befinden. Seine Inszenierung zielt auf die Aktualität von Rassismus...