Magazin
Narrentum und Revolution
In Gedenken an den Literatur- und Theaterwissenschaftler Robert Weimann
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Theater der Zeit: Deutsche Zustände – Intendanten über ein neues politisches Selbstverständnis (10/2019)
Als ich vom Ableben Robert Weimanns hörte, einem der herausragenden deutschsprachigen Literatur- und Theaterwissenschaftler seit den 1960ern, dachte ich zuerst an sein 1958 erschienenes Buch „Drama und Wirklichkeit in der Shakespearezeit“. Seine Darlegungen der historischen Bewegungen und gesellschaftlichen Umstände, die für ein halbes Jahrhundert zur einzigartigen Blüte des öffentlichen Theaters im elisabethanischen England führten und in/mit denen die geschichtlich einmalige Kunst Shakespeares wachsen konnte, war Anfang der 1960er für uns junge Berliner Theaterwissenschaftsassistenten nicht nur „fachlich“ faszinierend. Wie eine selbstverständlich harsche Kritik an der Masse derjenigen, die, sich fälschlich auf Marx berufend, künstlerische Prozesse mechanistisch als bloße Wiederspiegelungen ökonomischer „Gesetzmäßigkeiten“ behandelten, war das Buch Beispiel einer tiefgründenden historisch-materialistischen Sichtung/ Erläuterung höchst komplizierter, komplex-widersprüchlicher Bewegungen beziehungsweise Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Realitäten. Umsichtig, respektvoll-kritisch ältere und vor allem neueste englisch- und deutschsprachige Forschungsergebnisse verarbeitend, verfolgte es die wirtschaftlichen, politischen, ideologischen, kulturell-religiösen Bewegungen und Verhältnisse in dem vom Kompromiss des frühkapitalistischen Bürgertums mit dem Adel getragenen elisabethanischen Absolutismus, von denen das Werk Shakespeares spricht, eine Epoche, die mit Beginn des 17. Jahrhunderts kulturell unter anderem mit der adligen Machtübernahme über das englische Theaterwesen endete.
Unter Weimanns vielen Veröffentlichungen bis ins hohe Alter ist das umfangreiche Buch „Shakespeare und die Tradition des Volkstheaters“...