Diese Inszenierung ist eine Befreiung: Leonie Böhm sprengt mit ihrer Konstanzer Inszenierung die Fesseln des Konventionellen. In Böhms „Penthesilea“ fungiert der Bühnenraum als direkter Begegnungsort zweier Sehnsüchtiger, welche die gegenseitige Sprache der Liebe erst erlernen müssen. Der Konstanzer Theaterabend lebt von der Improvisation. Das passt, insofern Achill und Penthesilea auch bei Kleist die Sicherheit eingespielter Verhaltensweisen vollständig verlassen. Die Leitfrage bei Kleist wie bei Böhm könnte lauten: Wie weit trägt das Spiel rückhaltloser Begegnung?
Johanna Link als Penthesilea verkörpert mit ihrem ersten Auftritt zudringliche Sehnsucht. Sie schreitet die erste Zuschauerreihe ab und sucht sich einen männlichen Partner für das Rosenfest, der sie lieben muss. Ihre Improvisation bündelt die schauspielerische Kraft des Nonverbalen. Wenn Lukas Vögler als Achill mit Rollerblades und überdimensioniertem Mantel den Zuschauerraum betritt, ist Penthesileas Aufmerksamkeit dauerhaft und anderweitig gefesselt.
Schnell legt Johanna Link Posen der Beeindruckung ab, weil sie merkt, dass dieser Held von Troja weicher daherkommt, als sein Auftritt vermuten lässt. Lukas Vogler deutet männliche Gesten an, bricht diese aber permanent in seinem Spiel. Er wirkt dadurch verletzlich und zugänglich, für Penthesilea in hohem Maße attraktiv. Im intimen Raum der Werkstatt wohnt der Zuschauer dem Schauspiel bei, wie Achill und Penthesilea die Regeln ihrer jungen Beziehung...