Für eine Theorie des Androgynen
Die Figur der Überschreitung im Tanz
Erschienen in: Recherchen 27: Tanz Körper Politik – Texte zur zeitgenössischen Tanzgeschichte (10/2012)
Ich tanze als ein weiblicher Teil, aber ich bin Mann. So ist es androgyn. Das Androgyne ist aber nichts Außergewöhnliches. Es hat etwas zu tun mit einem sehr tiefen Verlangen nach Leben [...] Pioniere wie Isadora Duncan, Mary Wigman und Argentina sind sehr nah beieinander. Für sie, ebenso wie für mich existiert eine gemeinsame Frage, die nach der Mauer des Körpers.
Kazuo Ohno
Mit seinen Tänzen überschreitet Kazuo Ohno die Grenzen persönlicher Geschichte und biologischer Bestimmung. Auf der Suche nach dem Ursprung der Schöpfung, nach dem lebendigen Schöpferischen schlechthin, kehrt er zurück an den Ort der Zeugung, erinnert er im Gewebe der Zellen an eine kosmologische Zeit.
Für Kazuo Ohno wurde der Zugang zum kosmologischen Erleben initiiert durch die Begegnung mit La Argentina, die er 1929 ein einziges Mal tanzen sah und nie wieder vergaß. Nicht nur in seiner Hommage an die Flamenco-Tänzerin, sondern in jedem seiner Tänze kehrt La Argentina durch Kazuo Ohno auf die Bühne zurück.
Zweifellos ist Kazuo Ohno eine ganz extreme Künstlerpersönlichkeit. Doch dadurch tritt der Ansatz für ein Verstehen des Androgynen im Tanz deutlicher hervor. Das Werk Kazuo Ohnos ist mehr oder weniger solistisch. Auf der Bühne stellt der Tänzer die Gegenwart eines Abwesenden her...