Das Szenenstudium
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Lektionen 4: Schauspielen Ausbildung (12/2010)
I.
„Ein Szenenstudium ist keine Inszenierung. Es ist ein Unterricht, in dem der Student anhand von Rollenaufgaben lernt, die im Improvisations-Seminar entdeckten Elemente der Schauspielkunst anzuwenden. Er lernt, eine vom Dichter vor‚geschriebene’ Handlung sich zu eigen zu machen und mit seiner Persönlichkeit auf der Bühne folgerichtig durchzuführen. Er lernt die Mittel kennen, mit denen er einen Vorgang sinnfällig spielen kann.“1
Da im Gegensatz zum Spiel der Improvisation im Szenenstudium eine geschriebene Szene, die in den meisten Fällen aus dem Zusammenhang eines Theaterstückes gelöst ist, zur Grundlage genommen wird, muss am Anfang eine dramaturgische Analyse der Szene stehen. Hierfür ist es erforderlich, das gesamte Stück zu kennen, aus dem die Szene genommen ist. In einer genaueren dramaturgischen Analyse der gewählten Szene sind nun verschiedene Fragen zu bearbeiten. Dramen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Geschichte in einer bestimmten Form darstellen. Diese Form ist die dramatische Situation. Eine Geschichte kann erzählt werden wie etwa ein Märchen. Dieselbe Geschichte kann aber auch als Drama dargestellt werden.2 Hierfür müssen Situationen gefunden werden, die eine szenische Darstellung dergestalt ermöglichen, dass Figuren miteinander handeln und erleben können. Eine dramatische Situation zeichnet sich durch ein besonderes Verhältnis zwischen den Beteiligten aus. Sie müssen in...