Theater der Zeit

Den Körper schreiben

Wegsein und Dasein in den Zeichnungen von Jan Fabre

von Johannes Odenthal

Erschienen in: Recherchen 27: Tanz Körper Politik – Texte zur zeitgenössischen Tanzgeschichte (10/2012)

Am Anfang der großformatigen Zeichnungen von Jan Fabre ist die Linie, die in der unendlichen Wiederholung die Grundfläche erobert und verwandelt. Die Linie als analytische, ordnende und teilende Funktion ist ebenso wie das Instrument, das Fabre vorwiegend benutzt, der blaue Bic-Stift, dem Schreiben und der Geometrie eher zuzuordnen als der Malerei. Die Linien bilden zwar in ihrer Verdichtung Netze und Flächen und durch die Wölbungen und Vertiefungen des Materials Reliefs oder Räume, aber der Ausgangspunkt, der Ursprung bleibt eine Bewegung des Schreibens, oder besser: die Geste des Kritzelns.

Dieses Kritzeln gehört zu den Erfahrungen eines jeden Menschen. Kritzeleien finden sich auf Schulbänken, Schreibunterlagen, in Kalendern und auf Notizen. Immer sind sie Zeugen eines kurzen Abwesend-Seins. Sie entstehen, wenn man jemandem zuhört und doch nicht da ist, wenn man mit jemandem telefoniert und mit seinen Gedanken abschweift. In den Kritzeleien kommt gleichsam etwas Unkontrolliertes zur Sprache.

Die Kritzeleien sind nicht zu vergleichen mit den Kinderzeichnungen oder den prähistorischen Höhlenmalereien, in denen es um eine Annäherung an die Welt geht, eine Art Beherrschung versucht wird. Die Kritzeleien weisen in eine andere Richtung. Sie führen weg vom Gegenstand, sie gehören zu einer Art Fluchtbewegung, sie sind die Spuren des Abwesenden.

Jan Fabre hat...

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