Theatermusik als relationales Musizieren: Ästhetische Intentionen
Zwischen Musik und Geräusch
von David Roesner
Erschienen in: Recherchen 151: Theatermusik – Analysen und Gespräche (11/2019)
Diese Affinität zum ›Rauschen‹,73 zum Körnigen des Klangs, spiegelt sich auch im Interesse der Theatermusiker*innen wider, im »Grenzbereich zwischen Geräuschen, Sound und Musik« (Crummenerl) zu arbeiten. Theatermusik reiht sich hier in eine reiche Traditionslinie des 20. Jahrhunderts ein, mit einem erweiterten Musikbegriff zu operieren, bei dem Geräusche systematisch miteinbezogen werden oder gar zum Zentrum von Kompositionen avancieren.74 Gollasch und Crummenerl beziehen sich z. B. explizit auf Mauricio Kagel und John Cage, Beckenbach hat am IRCAM [Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique] studiert, Heiß fand Inspiration bei Pierre Henry und Pierre Schaeffer, und Preuss sagt explizit: »Wichtig ist bei mir immer die komplette Gleichberechtigung von Geräusch und Musik.«
Dabei sind mindestens zwei Aspekte wichtig: Rudolph erzählt zum einen, dass eine Faszination an allen Klängen für sie Motor und Inspiration sei, da diese immer auch ein narratives Potenzial hätten:
Im Alltag bin ich sehr hellhörig, meine Ohren sind immer in alle Richtungen offen. Kennst du den Sound, der entsteht, wenn man ein frisches Nutella-Glas aufmacht? Da kann ich mich wie ein Kind drüber freuen. Ich mag es grundsätzlich sehr, mit Alltagsklängen zu arbeiten und zu schauen, was diese Klänge auslösen. Teile meiner Filmmusik habe ich mit Küchenutensilien und Alltagsgegenständen aufgenommen....