Von Innen nach Außen
Versteckte Ideologien in der Ausbildung des Schauspielers
von Philipp Hauß
Erschienen in: Lektionen 4: Schauspielen Ausbildung (12/2010)
Versteckte Ideologien in der Ausbildung des Schauspielers
„Bist du echt? oder nur ein Schauspieler? Ein Vertreter? oder das Vertretene selbst? – Zuletzt bist du gar bloß ein nachgemachter Schauspieler … Zweite Gewissensfrage.“
Friedrich Nietzsche1
I.
Es ist eine Binsenweisheit: Schauspielen zu unterrichten oder eine Schauspielschule zu denken, gar als Teil einer Universität für Musik und Darstellende Kunst, die Diplome, Magister-Titel und Leistungsnachweise verteilt oder verweigert, ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Das Talent, auf einer Bühne oder vor einer Kamera zu spielen und anderen dabei so interessant und faszinierend zu erscheinen, dass sie hinschauen müssen, lässt sich weder erklären noch unterrichten. Es ist weit verbreitet, den Kern der Tätigkeit „Spielen“ mit einem Geheimnis zu umgeben. Bei aller Vorsicht, dass sich dahinter eine Selbstmystifikation oder eine Diskursantipathie verbergen könnte, kann man der begrifflichen Leerstelle im Zentrum des Spielens nicht aus dem Wege gehen. „Schauspielen“ ist im Wesentlichen ein unzureichend erfasster Gegenstand, der sich Messbarkeit und Klassifizierung beharrlich entzieht.
Blickt man auf Europa und Nordamerika, so fällt auf, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts Versuche unternommen werden, „Schauspielen“ methodisch zu erfassen und methodisch zu unterrichten. Während sich bis dahin die schauspielerische Ausbildung vor allem auf die Weitergabe tradierter Ausdrucksweisen konzentrierte, ist...