Theater der Zeit

In eigener Sache

Theater der Zeit Jahresrückblick 2023

In unserer täglichen Arbeit schauen wir nach vorne, scannen hunderte Premierenankündigungen, halten die Augen und Ohren nach aktuellen und zukünftigen Themen offen und suchen nach neuen innovativen Formaten. Heute aber möchten wir eine Rückschau wagen und das TdZ-Jahr 2023 Revue passieren lassen.

von Nathalie Eckstein, Thomas Irmer, Harald Müller, Paul Tischler und Lina Wölfel

Assoziationen: Dossier: TdZ-Geschichte

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Das Jahr 2023 begann mit einem großen Aufbruch für TdZ: Die neu gestaltete Website ging gemeinsam mit dem Relaunch des Heftes im vollständig überarbeiteten Look an den Start. Das grafische Konzept von Hannes Aechter hat nach fast zwei Jahren der Entwicklung einen von vielen Seiten begrüßten und beglückwünschten Auftritt für unsere bewährten Inhalte geschaffen.

Auf tdz.de haben wir nun in diesem ersten Jahr fast 250 Onlinekritiken veröffentlicht – vom Zimmertheater Rottweil bis zu den großen Musiktheaterhäusern und der ersten Rezension einer Grand Show im Friedrichstadtpalast – spartenübergreifend, das ganze Theater eben, so wie wir es verstehen und in seiner Vielgestaltigkeit kritisch begleiten möchten. Von groß angelegten Projekten wie „Anthropolis“ am Deutschen Schauspielhaus bis zu kleinen site-specific Performances war alles dabei, von Premieren in Schwedt bis in Aachen, in Hamburg und in Konstanz.

Neben den Kritiken haben wir über 300 Texte aus unseren Magazinen, darunter Essays, Kommentare, Buchrezensionen, Theaterstücke und Kolumnen sowie 363 Texte aus den neuen Büchern des Verlags online veröffentlicht. Darunter das umfangreiche backstage-Interview mit dem von uns bejubelten Schauspielstar Charly Hübner, der sagt: „Man kann auf der Bühne vieles von dem weglassen, was einen sonst ziemlich plagt. Es tut beim Spielen nicht mehr wirklich weh, was ansonsten schmerzt.“ Oder der eindringliche Dokumentarroman von Wolf Biermanns Sohn, der erfolgreich als Puppenspieler arbeitet und jetzt seine Familiengeschichte aus Sicht einer Puppe aufgeschrieben hat. „Das ist deutsche Familien- und zugleich Einheitsgeschichte. Wann wurde die zuletzt derart entspannt und heiter aufgeblättert? So hintersinnig, so abgründig und so voller Überraschungen!” (Michael Laages in Deutschlandfunk Kultur).

Mit über 900 neuen Texten zu den Darstellenden Künsten im Jahr 2023 betreiben wir jetzt mit tdz.de das umfassendste Online-Portal für Theater im Internet. Hinzu kommen Archiv-Texte, die wir fortlaufend online stellen sowie über 200 tagesaktuelle Meldungen, die wir in diesem Jahr veröffentlicht haben. Alle Texte verschlagworten wir thematisch und verlinken sie mit Personen, Theatern, Regionen und Publikationen, um eine weiterführende Recherche zu ermöglichen, die auch Spaß macht.

International haben wir unsere umfassende Theaterberichterstattung aus dem Ausland fortgesetzt: Neben Besuchen von Festivals und Showcases in Polen, Norwegen und Ungarn sind das Chile Spezial anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Putsches gegen die sozialistische Regierung sowie ein Schwerpunkt zum slowenischen Theater anlässlich des Gastland-Auftritts auf der Frankfurter Buchmesse entstanden.

Schockiert hat uns am 7. Oktober der Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel und die damit einhergehende Gewalt für Zivilistinnen und Zivilisten. Die Sicherheit jüdischen Lebens in Deutschland ist uns ein wichtiges Anliegen. Mit Yair Sherman haben Chefredakteur Thomas Irmer und Redakteurin Elisabeth Maier für die Dezember-Ausgabe über Wünsche und Aussichten für einen Frieden gesprochen. Es war das berührendste und zugleich um jedes Wort in der Übersetzung ringende Interview des Jahres, in dem Sherman ganz offen sagte: „Krieg kennt keine Sieger. Ich meine, wenn die Geiseln befreit sind, ist in der Sache was erreicht, und Israel wird sich entscheiden müssen, welche Zukunft es für seine Kinder will.“ Ein Satz, der bis ins neue Jahr nachklingen wird, für uns voller Trauer.

Ein Highlight dieses Jahr war der Schwerpunk „Queeres Theater“. Höchste Zeit, fanden wir, in einer Fachwelt, die auf Diversifizierungsprozesse angewiesen ist, nach dem Stand der Dinge zu fragen: In einem Überblickstext hat die Juniorprofessorin für Theaterwissenschaft Jenny Schrödl die immer größer werdende Vielfalt dargestellt, Online-Redakteurin Lina Wölfel und Autorin Cia Hussinger haben sich mit der eigenen Sozialisation und dem Phänomen des Pinkwashings beschäftigt, während Thüringen-Redakteur Michael Helbing sich in Eisenach, „nicht gerade die buntesteste Stadt“, zu diesem Thema umgesehen hat.

Weitergeführt haben wir auch unseren Stückabdruck von jungen Autor:innen wie Svenja Viola Bungarten, Lars Werner und Sarah Kilter, sowie – in Kooperation mit dem Stück Labor Basel – Kim de l’Horizon, deren Werke in die Welt gehen sollen. Daneben freuen wir uns über den Literaturnobelpreis für Jon Fosse im Oktober. TdZ hat bereits mehrere seiner Stücke gedruckt – im letzten Heft den noch nicht uraufgeführten Monolog „So ist das“. Fosse ist, so kann man sagen, ein TdZ-Autor seit nunmehr 25 Jahren. Wir freuen uns, dass wir mit ihm eines der wenigen Interviews seit der Verkündung des Nobelpreis führen konnten und gratulieren einmal mehr.

Im Podcast Wölfel&Keim&Theater haben sich unsere Online-Redakteurin Lina Wölfel und NRW-Redakteur Stefan Keim über zehn Folgen mit Gästen wie Miriam Michel, Vasco Boenisch und Julia Wissert über Kritik unterhalten. Wir blicken nicht nur auf ein spannendes Theaterjahr zurück, sondern auch mit Zuversicht in die Zukunft. Marie Schleef wird nach ihrem Text „Reaktion und Emanzipation“ in der Serie „Warum wir das Theater brauchen“ für drei Kolumnentexte als Autorin zu uns stoßen. Als neues Format etablieren wir mehr als dreißig Jahre nach der Wende eine neue Serie zum Thema Post-Ost, also post-ostdeutsche Probleme und Identitäten, deren namhafte Protagonist:innen jetzt auf den Plan treten und sich bei uns äußern.

Im Juni erscheint das Heft Spezial in Zusammenarbeit mit den Münchner Kammerspielen zu einem der dringlichsten Diskurse im Theater: Inklusion.

Erschienen am 28.12.2023

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