Nachwort
Erschienen in: Recherchen 107: Roland Schimmelpfennig – Ja und Nein/Sí y No – Vorlesungen über Dramatik/Conferencias sobre Dramática (07/2014)
I.
Die gegenwärtige Theaterlandschaft im deutschsprachigen Raum ist vor allem eines: beeindruckend vielfältig. Selten zuvor standen einem Publikum so viele grundverschiedene Theaterkonzeptionen gleichzeitig zur Verfügung, deren Vertreter die je zugehörigen theatralen Mittel zudem souverän beherrschen und diffizil einzusetzen vermögen.
Wie seit den Anfängen des europäischen Theaters gehört das textbasierte, dramatische Theater auch heute fest zur Bandbreite zeitgenössischen Theaters. Und wie seit je ist das Theater in höherem Maße als andere Kunstakte von der gelingenden Interaktion mit dem Publikum abhängig: Romane lassen sich ohne Leser verfassen, Skulpturen ohne Betrachter schlagen, Theaterhäuser aber ohne Zuschauer nicht betreiben. Anders gesagt: Theater muss beim Publikum das Gefühl eines ästhetischen oder intellektuellen Gewinns erzeugen, der dieses motiviert, die theatrale Erfahrung wiederholt für sich zu suchen. Die daraus resultierende Herausforderung hat August von Kotzebue einst anschaulich umrissen:
„Man werfe doch einen Blick auf die Zuschauer: hier ein Geschäftsmann, der Erholung, dort eine Dame, die Zerstreuung sucht; hier ein guter Bürger mit träger Fassungskraft, dort ein flüchtiger Jüngling, dessen Aufmerksamkeit schwer zu fesseln ist; hier ein Hofmann, der ein paar Stunden tödten will, dort ein Mädgen, zu dessen Kopfe der Weg nur durch das Herz führt u.s.w. Welcher von Allen, ich bitte euch, wird (wenn auch seine...