Magazin
Nur der Regisseur ein Künstler?
Ein Kommentar zum Kommentar zu „Baal“
von Thomas Maagh
Erschienen in: Theater der Zeit: Jürgen Holtz – Schauspieler und Scharfdenker (04/2015)
Assoziationen: Residenztheater
Christoph Leibolds Kommentar zum Verbot von Frank Castorfs Münchner „Baal“-Inszenierung („Theater brauchen Gedankenfreiheit“, TdZ 3/2015) bedarf der Kommentierungen:
„Man stelle sich vor: Es gibt jemand ein Porträt von sich bei Georg Baselitz in Auftrag. Und als es fertig ist, bemerkt er konsterniert: ‚Das Bild steht ja auf dem Kopf!‘“
Der Vergleich ist absurd. Leibolds Kommentar geht von einem verkürzten Kunstbegriff aus. Er sieht nur den Regisseur als Künstler. Der Dramatiker als Künstler taucht bei ihm an keiner Stelle auf. Falsch ist der Vergleich auch deshalb, weil es weder die Verlage noch die von ihnen vertretenen Autoren sind, die Inszenierungen in Auftrag geben, sondern die Theater. Man stelle sich also vor: Ein Theater entscheidet sich für ein Stück, und als die Proben beginnen, bemerkt es konsterniert: „Der Text ist ja ‚Baal‘!“
„Frank Castorf inszeniert nicht erst seit gestern. Dass er Stücke zuweilen auf den Kopf stellt, sollte niemanden überraschen, der nur ein klein wenig Ahnung vom Gegenwartstheater hat. Umso verwunderlicher ist nun die Empörung des Suhrkamp Verlags und der Brecht-Erbin Barbara Brecht-Schall.“
Umgekehrt: Die Brecht-Erbin und Suhrkamp nehmen nicht erst seit gestern die Rechte an Brechts Stücken wahr. Dass sie auf Werkeinheit bestehen, sollte niemanden überraschen, der nur ein klein wenig...