Thema: Festivals
Black Box plus White Cube
Das Wiener ImPulsTanz-Festival erprobt das Museum als performativen Ort
von Helmut Ploebst
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Assoziationen: Österreich Tanz Akteure
Die Tanzschule der Zukunft“, meinte Isadora Duncan in einer 1903 publizierten Vorlesung, „muß gleichsam ein Museum der lebendigen Schönheit ihrer Epoche sein.“ Dieser Satz stand am Beginn der expressionistischen Moderne einer Kunstform, die bis dahin von der absoluten Herrschaft der Ballettästhetik bestimmt gewesen war. Der gräzisierenden Idealistin schwebte ein vitales Museum bewegter, lernender Körper vor.
Obwohl die Verbindungen zwischen Museen und darstellenden Künsten Geschichte haben, sind sie bis heute nicht selbstverständlich. Mit gutem Grund. Denn die tradierte Form des Museums hat bereits zwei nicht immer friktionsfrei miteinander zu vereinende Funktionen: das Archivieren von Dokumenten und Objekten sowie deren Präsentation in performativen Settings von Ausstellungen.
Auch wirkt im Repertoire des Theaters ein „musealer Auftrag“ nach, der heute als Rahmenwerk für die Präsentation respektive die Neuinterpretation des performativkünstlerischen Kanons einer Kultur ausgelegt werden kann, die sich ihrer selbst historisch vergewissern will. Im Unterschied zum Museum ist das Theater von vornherein ein Raum künstlerischer Aktivität und daher ideal für nichtwissenschaftliche Reflexionen über das Herstellen von Gegenwart aus der Verarbeitung von historischem Material. Duncans Anmerkung steht ganz in der Tradition der vormodern bürgerlichen Auffassung von Bildung, die im 20. Jahrhundert eine paradigmatische Veränderung erfahren hat: Die Richtmaße der historischen Vergewisserung sind seitdem immer näher...