Die Kunst der Instruktion
von Esther Pilkington und Daniel Ladnar
Erschienen in: Recherchen 155: TogetherText – Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater (12/2020)
I. Instruktionskunst
Die Instruktionskunst gibt es nicht; zumindest nicht unter diesem Namen als feststehendes künstlerisches Format oder Genre; zumindest nicht im deutschsprachigen Raum. Im Englischen kommt man mit einem Begriff wie instruction-based art weiter, wenn man künstlerische Arbeiten beschreiben will, die auf Handlungsanweisungen, Anleitungen oder Instruktionen basieren. Doch auch hier gibt es zahlreiche andere Begriffe, die mal einen weiteren, mal einen engeren Fundus an Arbeiten beschreiben: Der Begriff der Event Score beispielsweise entsteht Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre im Kontext einer New Yorker Kunstszene, aus der sich dann später die Fluxusbewegung formieren wird. Die Score, die Partitur, wird damit nicht mehr ausschließlich als Grundlage für musikalische Darbietungen verwendet, sondern für Performances aller Art. Künstler*innen wie Yoko Ono und George Brecht produzieren in dieser Zeit zahlreiche Event Scores und Instruction Pieces und bringen diese zur Aufführung; zu einem Zeitpunkt, zu dem auch die ersten Happenings entstehen, und etwa zehn Jahre, bevor sich Performance und Performancekunst als Begriffe und als Praxis zu etablieren oder durchzusetzen beginnen. Neben Event Score und Instruction Piece werden diese Arbeiten dann aber auch als Instruction Works oder als Word Pieces bezeichnet. Kurz, ein einheitlicher Sammelbegriff für diese Kunstform hat sich bis heute nicht etabliert –...