Grenzgänge – 13 neue Kurzstücke – geschrieben für das Schauspielhaus Graz
August Musger
von Clemens J. Setz
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Ein Behandlungszimmer. Entspannungsmusik im Hintergrund. Der Freiwillige (F), ein junger Mann, sitzt auf einem Stuhl. Der Versuchsleiter (V) steht vor ihm, füllt eine Spritze mit Flüssigkeit. An der Wand eine Uhr.
V: Ja, stimmt, das hier war früher mal ein Theater. Ist aber lang her. Man sieht’s eigentlich nicht mehr, außer da drüben, die Wand.
F (sieht kurz hin): Ah, ja.
V: Sind Sie nervös?
F: Bisschen.
V: Wenn man’s noch nie erlebt hat, wirkt es sicher etwas unheimlich. Aber vor einer Dilatation muss man wirklich keine Angst haben. Eigentlich hat eine Dilatationssitzung direkt was Patriotisches. Weil, das Konzept ist in Graz erfunden worden, vor mehr als hundertdreißig Jahren. Haben Sie das gewusst?
F (zeigt auf die Spritze): Das Ding da?
V: Was? Ach so. Nein. Ich meine, das Konzept an sich. Zeitlupe. August Musger. Daher auch der Name des Instituts.
F: Ah.
V: Er war ein technisch hochbegabter katholischer Priester. Er hat 1908 das Konzept und sogar den ersten Prototypen einer Zeitlupen-Filmkamera entwickelt. Kurz darauf ist ihm dummerweise das Geld ausgegangen.
F (nervös, abgelenkt): Aha.
V: Und ein anderer, ein Typ namens Lehmann, kaufte das Patent und baute, ohne Musger als Erfinder zu nennen, eine leicht...