Auftritt
Burgfestspiele Jagsthausen: Die Freiheit des Ritters mit der eisernen Hand
„Götz von Berlichingen“ von Johann Wolfgang von Goethe – Regie Laura Remmler, Ausstattung Stephanie Stuhldreier
von Elisabeth Maier
Assoziationen: Theaterkritiken Baden-Württemberg Laura Remmler Burgfestspiele Jagsthausen

500 Jahre nach den Bauernkriegen sind die Aufstände gegen den Adel in aller Munde. Von 1524 bis 1526 zogen die arbeitenden Menschen gegen die Herrscher in den Krieg. Daran erinnert in Stuttgart die große Landesausstellung. Die Geschichte eines freien Ritters, der für seine Ideale kämpfte, hat Johann Wolfgang von Goethe in seinem Sturm-und-Drang-Drama „Götz von Berlichingen“ erzählt. Seit 75 Jahren zeigen die Burgfestspiele in Jagsthausen den revolutionären Klassiker in jener Burg, in der der Götz einst lebte. Das zieht jedes Jahr Tausende in die kleine Gemeinde an der Jagst.
Musicals und zeitgenössische Dramatik setzt die Intendantin Eva Hosemann im Burghof auf den Spielplan, aber die „Götz“-Inszenierungen sind nach wie vor ein Renner bei Jung und Alt. Wenn es Nacht wird und Fledermäuse durch den Burghof fliegen, ist das ein besonderes Theatererlebnis. In der Jubiläumsspielzeit setzt die Regisseurin Laura Remmler auf die sprachliche Faszination des Textes, der mit dramaturgischen Konventionen seiner Zeit bricht. Ganz im Sinn des literarischen Aufbruchs brach Goethe mit der aristotelischen Dramenstruktur, die eine Einheit von Raum, Ort und Zeit forderte. Die Geschichte des Helden, der um ein freies Rittertum kämpft, spielt an mehreren Schauplätzen.
Für wen der Götz kämpfte, erschließt sich nicht ganz leicht. Für wen kämpfte der Ritter? Als freier Ritter kämpfte Götz von Berlichingen auf verschiedenen Seiten. Im Bauernkrieg stand er auf der Seite der Bauern. Um 1540 zog er zusammen mit dem Kaiser in den Krieg. Der „Ritter mit der eisernen Hand“, der im Kampf verwundet wurde, lässt sich in keine Schublade zwängen. Wer die Titelrolle spielt, ist in Jagsthausen jedes Jahr die spannende Frage. Diesmal fiel die Wahl auf Thomas Sarbacher. Der bekannte Film- und Theaterschauspieler zeigt diesmal den Titelhelden als einen Einzelkämpfer, der für menschliche Ideale lebt. Sein Götz lässt sich weder vom Kaiser noch von den Fürsten vor den Karren spannen. In Stephanie Stuhldreiers klassischen Ritterkostümen liegen aktuelle Bezüge nicht unbedingt auf der Hand.
Die Regisseurin Laura Remmler legt den Fokus ganz auf die Geschichte eines Mannes, der Widerstand leistet gegen das Unrecht. Mit seinem einstigen Freund Weislingen, der sich dem Adel an den Hals wirft, gerät er in einen heftigen Streit. Thomas Gerber zeigt die Figur als einen, der seine Fahne nach dem Wind hängt. Um der Gefangenschaft auf der Götzenburg zu entgehen, belügt er Götz und will sogar dessen Schwester Marie heiraten. Dabei schielt er schon längst auf eine Karriere in Adelskreisen und liebt die eiskalte Adelheid. Aischa-Lina Löbbert geizt nicht mit verführerischen Reizen, um den Kämpfer Weislingen auf ihre Seite zu ziehen. Dabei schielt sie doch selbst nach der Kaisermacht. Als kluge Strippenzieherin macht sie sich den Opportunisten gefügig.
Die Frauenfiguren, bei Goethe eher an den Rand gedrängt, wertet Remmler in ihrem Regiekonzept auf. Ariela Sarbacher spielt Elisabeth, die Ehefrau des Götz von Berlichingen. Mit ihrer klugen, loyalen Art schafft sie es, dem Ritter einen Halt im Leben zu geben. Stark entwickelt auch Lina Hoppe ihre Figur. Als Weislingen ihre Liebe verrät, gibt sie nicht auf. Die Figur, bei Goethe als „naiv und fromm“ beschrieben, macht die Schauspielerin, die selbstbewusst für ihren Bruder kämpft.
Goethes kritischen Blick auf den Kaiser und auf seine autokratische Macht treibt Laura Remmler auf die Spitze. Auf einem goldenen Wagen mit einem Sarg sitzt der Herrscher und hält krampfhaft den Reichapfel fest. Das Zerrbild des aus der Zeit gefallenen Monarchen gerät allerdings zum reichlich schrägen Spektakel. Das schießt die Regie mit dem ironischen Kommentar weit übers Ziel hinaus.
Dennoch gelingt es Remmler, Goethes Drama über die Selbstbestimmung des freien Rittertums und die Ideale der Freiheit griffig und klug zu erzählen. Der Jubiläums-Götz wirkt zwar an manchen Stellen antiquiert. Die Sprachkraft, mit der das Ensemble die Aufbruchsstimmung des Sturm und Drang in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vermittelt, ist eine große Qualität der Inszenierung, die nicht nach aktuellen Bezügen schielt. Die liegen in Zeiten, da die Demokratie in vielen westlichen Gesellschaften brüchig wird, auf der Hand.
Erschienen am 16.6.2025