Auftritt
Theater am Kirchplatz: Im Klammergriff der Konventionen
„Effi Briest/Der junge Mann“ von Theodor Fontane/Annie Ernaux, Dramatisierung von Thomas Spiekermann – Regie Oliver Vorwerk, Bühne und Kostüme Alexander Grüner
von Peter Surber
Assoziationen: Europa Theaterkritiken Theater am Kirchplatz
„Es ist vorbei“, singt André Rohde zur E-Gitarre, dabei geht der Abend erst gerade los. Aber es stimmt schon, wir wissen, wie es ausgehen wird mit der lebensfrohen Effi Briest und ihrem doppelt so alten, steifen Baron Geert von Innstetten: traurig. Tödlich. In den Jahren um 1880 im wilhelminischen Deutschland, wo Fontanes Roman spielt, gilt „die Gesellschaft“ alles und die Selbstbestimmung der Frau nichts.
Und Ende des zwanzigsten Jahrhunderts? Die französische Nobelpreisträgerin Annie Ernaux kehrt die Vorzeichen um: Ältere Frau angelt sich jungen Mann. Doch auch sie gerät in den Klammergriff der Moralvorstellungen und Vorurteile. Und kämpft sich frei, um den Preis einer Beziehung, die von Anfang an mehr soziales Experiment als Liebe ist. Auch hier heisst es rasch: „vorbei“.
Am Theater am Kirchplatz (TaK) im liechtensteinischen Schaan macht Intendant Thomas Spieckermann die Nagelprobe in Sachen weiblicher Autonomie. Er bringt mit „Effi Briest“ und „Der junge Mann“ zwei weit auseinanderliegende Prosatexte in Engführung auf die Bühne, einen Klassiker des Realismus und einen Kulttext des Feminismus. Das gelingt halbwegs.
Vier Spielerinnen und Spieler müssen auf der kleinen Bühne in Schaan genügen für das Panorama des Landadels in Ostpreussen: Effi (Christiani Wetter), Instetten (Georg Melich), der smarte Major Crampas, dem sich Effi...
Erschienen am 25.1.2024
