Eine Sprache von heute und somit von morgen
Dorcy Rugamba: Autor, Regisseur und Schauspieler aus Ruanda
Erschienen in: Recherchen 77: Theater südlich der Sahara – Theatre in Sub-Saharan Africa (06/2010)
Dorcy Rugamba fiel mir 1999 während der Aufführung des Stücks RUANDA 94 unter der Regie von Jacques Delcuvellerie im Rahmen des Theaterfestivals in Avignon auf. Ein Dokumentartheaterstück mit einer Spieldauer von sechs Stunden, in dem der Genozid an den Tutsi und die passive oder aktive Beteiligung der westlichen Welt thematisiert wird. Eine Passage fesselte mich besonders: eine Aufeinanderfolge scharfsinniger Fragen, die von fünf schwarzen Schauspielern gestellt wurden. Einer von ihnen war Dorcy Rugamba: große Statur, starke Präsenz, kräftige Stimme und außerdem mehrere Rollen spielend. Man sagte mir, er sei Koautor des Texts, insbesondere dieser „Litanei der Fragen“. Wissen entsteht durch Fragen.
Dorcy Rugamba, geboren 1969 in Kigali, wurde die zwingende Notwendigkeit von Wort und Kunst von seinem Vater Cyprien Rugamba, Dichter der ruandischen Sprache und Komponist, quasi von Kindesbeinen an eingeschärft. Mit dem einzigartigen poetischen Gesamtwerk des Vaters verband sich auch die Weitergabe des Kulturguts der Urahnen: Er zeichnete die Gründungstaten des ruandischen Volkes und dessen Weltanschauung auf und rehabilitierte die traditionelle Musik und den traditionellen Tanz. Angegliedert an das Nationalmuseum Ruandas gründete Cyprien Rugamba 1976 die traditionelle Tanztruppe Amasimbi n’Amakombe, deren künstlerische Leitung er übernahm. Hierzu gehörte auch eine Schule, Itoreo, an der Dorcy vom achten Lebensjahr an eine...