Zwischen Zensur und Kommerz
Der Regisseur Getenet Eneyew und die Widersprüche des äthiopischen Theatersystems
von Grit Köppen
Erschienen in: Recherchen 77: Theater südlich der Sahara – Theatre in Sub-Saharan Africa (06/2010)
In Äthiopien gibt es fünf große Theaterhäuser, die staatlich unterstützt und kontrolliert werden (National Theater, City Hall, Hager Fikir Theater, Ras Theater, Kinder- und Jugendtheater). Sie können bis zu 1500 Zuschauer fassen und sind oft sehr gut besucht. Die Regisseure, die an diesen großen Häusern arbeiten, haben nur alle drei bis fünf Jahre die Gelegenheit zu inszenieren.
Die Stücke werden von einem Gremium (d. h. dem Geschäftsführer, dem Künstlerischen Leiter oder Beamten des Kulturministeriums, in jedem Fall parteinahe Personen) ausgewählt und zugeteilt. Ein Regisseur hat zwar das Recht, ein Stück abzulehnen, allerdings darf er stattdessen nicht ein von ihm selbst gewähltes Stück inszenieren. Darüber hinaus sieht sich ein Regisseur dem Druck der Theaterleitung ausgesetzt, dass seine Inszenierung massentauglich sein sollte, um Geld einzuspielen. Die Produktionen der städtischen Theater werden je nach Publikumsnachfrage und wirtschaftlichem Ertrag ins Repertoire übernommen, teilweise jahrelang gespielt und einmal wöchentlich aufgeführt.
Die derzeit aufgeführten Werke sind entweder Komödien, Tragödien, Melodramen oder historische Dramen äthiopischer Autoren. Sowohl Gastspiele als auch Übersetzungen ausländischer Stücke sind selten zu sehen. In den letzten beiden Jahren war das Komödiengenre auf den Bühnen von Addis Abeba omnipräsent, was einige Vermutungen bezüglich des sich zunehmend verengenden Spielraums zulässt. Von staatlicher Seite wird die...