Look Out
Charme mit Schärfe
Wie die Schauspielerin Tinka Fürst durch Zufall ans Sprechtheater kam
von Martin Krumbholz
Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)
Tippen-Tappen-Tönchen – wo, wenn nicht in Wuppertal, der Stadt der Treppen, würde man eine schlichte Stiege so nennen? Die Dienstmädchen der vorletzten Jahrhundertwende klapperten in Holzpantinen die Stufen hinauf und hinunter: Tippen-Tappen-Tönchen. Jetzt sitzt oben auf einer Bank die Jungwuppertalerin Tinka Fürst, blickt ins Tal hinab und lacht ihr lebensfrohes Lachen, wenn die Stadtreinigung, routiniert und mit viel Getöse, Laub aufsaugt, das gar nicht da ist.
Tinka Fürst, 1988 in West-Berlin geboren, hat das baufällige Schauspielhaus ihrer Wahlheimat nie von innen gesehen – eine der Absonderlichkeiten der aktuellen Theatersituation. Der Musentempel als sagenumwobener verbotener Palast, nicht mal von Wiedergängern belebt. Das neue Theaterchen im Stadtteil Barmen ist in jeder Hinsicht unauffällig, ein nüchterner Zweckbau, aber die Zuschauer bleiben nicht aus. Und Fürst ist hier, um für sie zu spielen.
Ans Theater, erzählt sie auf ihrer Lieblingsbank, sei sie durch eine sonderbare Fügung gekommen: Die kleine Tinka wurde zum Tanzen geschickt, reihte sich in eine falsche Schlange ein und landete so beim Schauspiel. Später wollte sie unbedingt an die Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“, geklappt hat es beim Max Reinhardt Seminar in Wien – und wie sich herausstellte, war das gar keine schlechtere Wahl. Von der Österreicherin Susanne Abbrederis ließ sie sich...