Auftritt
Theater Lübeck: Mit feministischem Feenstaub und antikapitalistischem Konfetti
„Effi, Ach, Effi Briest“ frei nach Theodor Fontane von Moritz Franz Beichl – Inszenierung Maike Bouschen, Bühne & Kostüme Valentina Pino Reyes, Musik Tim Thielemans
von Jens Fischer
Erschienen in: Theater der Zeit: ¡Adelante! – Theater aus Iberoamerika (02/2024)
Assoziationen: Theaterkritiken Schleswig-Holstein Maike Bouschen Theater Lübeck
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Als Repräsentationspüppchen wird eine 17-Jährige in den finanziell sicheren Ehehafen genötigt, wo der mehr als doppelt so alte Ex-Liebhaber ihrer Mutter wartet. Bald schon beginnt die junge Gattin aus grenzenloser Beziehungslangeweile eine Affäre, woraufhin sich die ehrpusseligen Nebenbuhler mit Todesfolge duellieren. Das erzählt Theodor Fontane in seinem Roman über Effi Briest, die mit Scheidung, Kontaktverlust zu ihrem Kind und sozialer Ächtung bestraft wird. Zerrissen zwischen Scham, den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprochen zu haben, und Scheitern an den eigenen Bedürfnissen implodiert sie. Stirbt. Geopfert vom Autor, um seine Kritik am erstickenden Verhaltenskorsett des preußisch-protestantisch antiquierten Wertekanons im Deutschen Kaiserreich empathisch deutlich zu machen. All das wird heute, 130 Jahre später, gern als überholt abgetan. Andererseits ist das Werk ein Klassiker, hat also etwas Zeitloses. Das könnte so erzählt werden: Die Protagonistin entscheidet sich, der pubertär aufgeheizten Kinderzimmerwelt zu entfliehen und in die echte Welt aufzubrechen. Den ersten Schritt in die Freiheit wagt sie mit der Heirat eines wohlhabend biederen Karrieristen. Ihr sexuelles Begehren und alle Liebesschmetterlinge im Bauch bringt aber bald ein anderes Mannsbild in Bewegung. Solche Erfahrungen könnten Ausgangspunkt sein, sich aus der Männerobhut zu lösen und einen eigenen Weg zu gehen. Um diese Empowerment-Interpretation zu betonen, ersetzt Moritz Franz...
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