Theatermusik als relationales Musizieren: Ästhetische Intentionen
Zwischen HiFi und LoFi
von David Roesner
Erschienen in: Recherchen 151: Theatermusik – Analysen und Gespräche (11/2019)
Einerseits beschreiben viele Theatermusiker*innen den Wunsch nach Wertigkeit, Professionalität und Klangtreue für die Produktion und Wiedergabe ihrer Musik. Schlecht ausgestattete Probebühnen (Baierlein) oder zu wenig Zeit für die Toneinrichtung (Günther) werden beklagt. Auch beim Musizieren selbst artikulieren einige klare Standards: »Wenn ich ins Theater gehe, [möchte ich] nicht unbedingt jemanden sehen, der gerade mal zwei Akkorde auf der Gitarre spielen kann. Klar, kann es auch mal absichtlich ›trashig‹ sein, aber das interessiert mich nicht so«, sagt Ostendorf. Baierlein stimmt zu: »Es ist logischerweise immer ein Unterschied, ob du für Amateure oder Profis schreibst.«
Andererseits durchzieht die Interviews auch ein immer wieder geäußertes Interesse am nicht Perfekten, Fehlerhaften bzw., nochmals mit Barthes gesprochen, »rauen« oder »körnigen« Charakter von Klängen und Stimmen.71 So sagt z. B. Rudolph: »Ich mag Sounds, die nicht allzu glatt sind, die scheppern, kratzen oder rauschen.« In Bezug auf Stimmen berichtet Wittershagen etwas Ähnliches: »Bei uns singen auch häufig die Leute, die eigentlich keine ausgebildeten Stimmen haben! Da findet man dann häufig etwas, was einen ganz eigenen Charakter hat und berührend ist, auch wenn jemand nicht jeden Ton trifft.«72
Kürstner und Gollasch thematisieren dies auch in Bezug auf die Aufnahme-Situation, wobei sich Kürstner speziell auf Nebengeräusche...