Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Einsichten in die SIGNA-Performance
von Sybille Meier
Erschienen in: Recherchen 155: TogetherText – Prozessual erzeugte Texte im Gegenwartstheater (12/2020)
Der Text, der eigentlich hier hätte erscheinen sollen, findet nicht mehr statt. Die Schauspielhäuser sind bis auf Weiteres geschlossen, Proben mehr oder weniger verunmöglicht aufgrund sozialer Distanzvorschriften und des Verbots von Anwesenheit zu vieler Körper im selben Raum. Die Grundverabredung des Theaters, ein gemeinsames Erleben von Fiktion in einer physisch und psychisch geteilten Realität, ist zurzeit bis auf Weiteres untersagt.
SIGNAs Performance-Installationen trifft die Pandemie gleich auf zweifache Weise. Das neue Social Distancing zieht nicht nur die vierte Wand zwischen Schauspieler*innen und Publikum wieder hoch, die SIGNA auf so radikale Weise eingerissen und gleichsam in das Publikum hineinverlegt hatte wie sonst keine andere Theaterkunstform. Vielmehr errichtet diese Vorschrift auch noch unzählige weitere unsichtbare Wände inmitten des Spielraums: zwischen den einzelnen Darsteller*innen und Besucher*innen selbst werden jeweils unüberspielbare Abstände festgelegt. Die intime Erfindung einer Szene ist damit nahezu unmöglich. Denn erst im Überschreiten einer (realen) physischen und psychischen Distanz zwischen Darsteller*innen und Zuschauer*innen gründet das eigentliche Erlebnis der SIGNA-Welten. Unmittelbarkeit und Nähe sind die Grundlagen ihrer Performances. Sie wirken besonders nachhaltig an der Grenze zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, an der Ununterscheidbarkeit von realem und scheinbarem Erleben. Doch jetzt sind sie erst einmal in die reale Vorsichtsmaßnahme zurückgedrängt.
Nicht weniger zerstörerisch zeigt...