Auftritt
Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf: Die erstarrte Gesellschaft
„Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowsky nach Alexander Puschkin – Musikalische Leitung Vitali Alekseenok, Inszenierung Michael Thalheimer, Bühne Henrik Ahr, Kostüme Michaela Barth, Chorleitung Gerhard Michalski
von Stefan Keim
Assoziationen: Nordrhein-Westfalen Theaterkritiken Musiktheater Michael Thalheimer Deutsche Oper am Rhein
Ein schmissiger Tanz tönt aus dem Orchestergraben. Er begleitet einen Ball in St. Petersburg. Doch die Menschen auf der Bühne sind erstarrt, niemand bewegt sich. Die Musik läuft ins Leere, die Gesellschaft ist nicht einmal mehr dazu fähig, Lebenslust vorzutäuschen. Eine reiche, emotionale, bei aller kammermusikalischen Finesse immer wieder leidenschaftliche Musik trifft auf eine kühle, analytische Szenerie.
Michael Thalheimer ist für solche puristischen Zugriffe bekannt. Wie in seinen Schauspielinszenierungen bekommen bei ihm auch die Gesangsensembles kaum Requisiten oder Mobiliar. Nichts, mit dem oder hinter dem man sich verstecken könnte. Für Peter Tschaikowskys „Eugen Onegin“ hat Bühnenbildner Henrik Ahr einen Holzkasten aus Schubladen ohne Griffe gebaut. Sie lassen sich bewegen und verschachteln, manchmal entstehen Treppen. Und einige Male kommt eine massive Wand von hinten auf das Ensemble zu, verengt den Raum, bedrängt und bedroht die Menschen.
Tatjana lebt auf dem Land. Aber eigentlich lebt sie in Büchern. Sie träumt von der romantischen Liebe, die im 19. Jahrhundert ein modernes Konzept war. Frühere Generationen heirateten aus Vernunftgründen und arrangierten sich. Oft wird Tatjana als verträumtes Mädchen interpretiert, nicht bei Thalheimer. Hier wirkt die charaktervoll strahlende Sopranistin Ekaterina Sannikova wie eine selbstbewusste junge Frau, die entgegen den Rollenvorbildern ihrer Familie ihr Schicksal selbst...
Erschienen am 28.2.2024
