Bericht
Das große Plus an Menschlichkeit
Eine Reise durch chilenische Theaterlandschaften
von Manuel Harder
Erschienen in: Theater der Zeit: Florentina Holzinger – Performing Power (04/2025)
Assoziationen: Südamerika Dossier: Chile

„HUMANIDAD“ (Mehr Menschlichkeit) lautet das Motto des diesjährigen Festivals Teatro a Mil (Theater für Tausend), das Vorzeichen wie eine Reminiszenz auf die eigene Geschichte: Mit der Kampagne NO+! (Nicht mehr!) wurden nach einem Plebiszit Diktatur und Folterregime 1990 endgültig abgeschafft. Noch vor zwei Jahren, anlässlich des Gedenkens an den Putsch gegen die einzige frei gewählte sozialistische Regierung vor 50 Jahren, widmete sich das Festival der Erinnerungsarbeit und Aufarbeitung (siehe TdZ 03/2023). Jetzt soll es weitergehen. Aber Traum und Trauma liegen nah beieinander, wirken bis ins Heute.
Santiago de Chile, es ist Januar, die Sommerferien haben gerade begonnen. Ich sitze im GAM, dem Kulturzentrum Gabriela Mistral, Epizentrum des kulturellen Schaffens. Die PLATEA25 wird eröffnet – die internationale Plattform innerhalb des Festivals für Theaterproduzierende und Booker, dem wohl größten „Fenster des Südens für performative Künste Lateinamerikas zur Welt“. Ich trage kein Plastikkärtchen, ich bin kein Produzent oder Journalist. Ich bin deutscher Schauspieler mit Festengagement und Hang zu Eigenarbeiten, geboren in Chile, im Gepäck mein gesammeltes Halbwissen über das chilenische Theater. Der Autor und Regisseur Guillermo Calderón provoziert gleich zu Beginn: Festivals erregten die Illusion, Theater sei wichtig – für genau zwei Wochen. Dann kämpften alle wieder für sich allein.
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