Dass dieses Schattenspiel albern ist, sieht man selbst in der hausinternen Videoversion des Abends, auf die ich zurückgreife, weil der „Shutdown light“ Mareike Mikats Inszenierung von Vladimir Sorokins „Der Schneesturm“ vorübergehend vom Spielplan gefegt hat. Da sitzt also die Müllerin als riesiger Schatten auf der Rückwand der großen Bühne des Stadttheaters Ingolstadt – und um sie herum springt das Zamperl, das ihr Mann sein soll. Irgendwann versinkt es kopfunter zwischen zwei steil aufragenden Bergen, deren Gipfel Brustwarzen krönen. Ja, albern ist das schon, aber alles andere als falsch. Denn auch Sorokins 2010 erschienener Roman hat zwei Seiten. Mindestens zwei. Da ist zunächst seine liebevolle Wilderei in der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts: Ein Landarzt macht sich mitten im russischen Winter auf in ein Dorf, in dem eine Epidemie wütet, und gerät dabei in einen Sturm. Setting, Motive und Personenkonstellation erinnern an Tolstoi, Puschkin und Tschechow, das sich immer weiter entfernende Ziel an Kafka. Das Gefühl der wohligen Vertrautheit aber verhindern fast beiläufig eingestreute Elemente eines Sci-Fi-Märchens: Die Epidemie verwandelt Menschen in maulwurfsähnliche Untote, das „Mobil“, mit dem der Arzt Garin und sein Kutscher Krächz unterwegs sind, wird von fünfzig Minipferdchen gezogen, von denen keines „größer als ein Rebhuhn“ ist. Die...