Das andere Gesicht Mexikos
Ein Theaterland durch und durch – Geschichte und Entwicklung des mexikanischen Theaters
von Rodolfo Obregón
Erschienen in: Theater der Zeit Spezial: Mexiko (03/2015)
Assoziationen: Nordamerika
Mexiko ist durch und durch ein Theaterland. Neueste Studien – etwa archäologische Forschungen zur Mayakultur oder Arbeiten über Machtstrukturen bei den Azteken – stützen sich auf die herausragende Stellung, die Zeremonien und rituellen Darbietungen in diesen Kulturen zukam. Auch die Missionare machten sich diese bei den Ureinwohnern des heutigen Mexikos tief verwurzelten Praktiken für die „spirituelle Eroberung der Neuen Welt“ zunutze. Das alles hat ermöglicht, dass bis heute in einem gewaltigen und keinesfalls beendeten Synkretismus in unzähligen Gemeinden Mexikos Darstellungsformen bestehen, die verborgen unter dem Deckmantel mittelalterlicher europäischer Theaterformen (Krippen- und Passionsspiele, Darbietungen von Fabeln und biblischen Episoden, Karnevalsveranstaltungen) die Geisteshaltung der Indigenen und Mestizen am Leben erhalten. Diese historische Entwicklung spiegelt sich in der enormen Vielfalt traditioneller Masken wider, „dem anderen Gesicht Mexikos“, und erklärt auch Beliebtheit und Verbreitung von Masken in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen: zum Beispiel im Sport, etwa beim Lucha Libre, einer Form des Wrestlings, oder in der Politik – bei den politischen Bewegungen Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN, Zapatistische nationale Befreiungsarmee) und 400 pueblos (400 Völker), einer politischen Organisation, die sich für die Rechte der Landbevölkerung und Indigenen einsetzt und deren Mitglieder sich bei Protestaktionen ausziehen und Masken tragen.
Rückblickend auf die Geschichte, war das Theater...