Volker Gerling, Sie haben eine ganz eigene Form von Theater entwickelt: Daumenkino und Bilderfolgen unter Minikamera als kleine Erzählungen. Wie ist das entstanden?
An der Filmhochschule Babelsberg stellte ich fest, dass meine Liebe nicht dem großen Film für Leinwand oder Bildschirm gilt – wie ich immer angenommen hatte –, sondern einer kleinen Sonderform des Films, die apparatefrei funktioniert und in jede Westentasche passt: dem fotografischen Daumenkino. In diesem beschäftige ich mich hauptsächlich mit dokumentarischen Porträts von Menschen. Die 36 Bilder, aus denen meine Daumenkinofilme bestehen und die im Kino in 1,5 Sekunden an uns vorbeiziehen würden, entfalten im Daumenkino durch ihre Wiederholbarkeit und die vom Zuschauer zu ergänzenden Leerstellen zwischen den Bildern ihre Kraft und Poesie.
Welche Kamera wird für den apparatefreien Film verwendet?
Mit meiner motorisierten, analogen Spiegelreflexkamera belichte ich innerhalb von zwölf Sekunden einen kompletten Kleinbildfilm. Das beständige Rattern der Kamera zwingt die Menschen, die ich fotografiere, ihre Posen aufzugeben, die sie bewusst oder unbewusst einnehmen, wenn ich meine Kamera auf sie richte. Ihre Gesten und Emotionen entstehen so aus dem Augenblick und zeigen eine unmittelbare Schönheit des Wahren und Wesentlichen. Diese Momente sind der Kern meiner Arbeit. Das Daumenkino wurde bereits 1868 patentiert. Es ist aber offensichtlich...