Protagonisten
Nicht schweigen
Reflexionen über die deutsch-türkischen Narrative
Erschienen in: Theater der Zeit: Russian Underdogs – Victoria Lomasko und Kirill Serebrennikov (03/2020)
Assoziationen: Akteure
Die Lücke – Ein Stück Keupstraße
Im Carlswerk, der Außenspielstätte des Schauspiels Köln, wurden die Brückenseile für die Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke in Istanbul gefertigt. Das war in den sechziger Jahren. Oft haben wir uns diese Geschichte erzählt, als wir 2014 die „Lücke – Ein Stück Keupstraße“ geprobt haben, ein Stück, in dem wir den Nagelbomben-Anschlag, verübt durch den NSU, thematisierten. Am Abend der Premiere hatten wir sehr hohen türkischen Besuch aus Berlin. Der türkische Botschafter, Hüseyin Avni Karslıoğlu, war anwesend, zusammen mit 15 Diplomaten aus der Türkei, alle aus den Reihen der Regierungspartei AKP. Uns allen, den Spielern und der Leitung des Theaters, übergab der Botschafter Dankesbriefe. Handgeschrieben, im Namen der türkischen Republik. Das war 2014. Ein Jahr nach den Gezi-Unruhen. Ich bewahre den Brief immer noch auf. In der Nacht des Militärputsches am 15. Juli 2016 wurde eben diesem Botschafter, der in der Zwischenzeit nach Ankara berufen worden war, im Nationalparlament ins Bein geschossen. Öffentlich tritt dieser Botschafter nicht mehr auf. Seine Meinung ist nicht mehr gefragt. Er hatte sich zu sehr für die Versöhnung und Mitmenschlichkeit zwischen Deutschen und türkischstämmigen Bürgern eingesetzt. Auch um den Frieden mit der armenischen Minderheit war er stets bemüht. Aus meinem Gedächtnis und aus meinem...