9.3 Unbekannte Muster
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Was auf der persönlichen Ebene das Schauspiel ist, sind bei Gruppen die Szenen. Wenn man eine Weile Improtheater spielt, merkt man bald, dass es szenische Muster gibt, die immer wieder auftauchen – die Eifersuchts-Szene, die Der-Held-überwindet-sich-Szene, die Versöhnungs-Szene zwischen den Brüdern und so weiter. Welche Art von Szenen das genau sind, hängt von der Gruppe und ihrer Tendenz, Storys aufzubauen ab. Man spielt diese Szenen gern, weil sie dramatisches oder komisches Potential versprechen und weil man sie gut spielen kann. Wenn wir anfangen, um diese Art von Szenen zu kreisen, sie irgendwann auch immer wieder auf dieselbe Weise spielen und uns in unsere Selbstzufriedenheit einlullen, leidet unsere Improvisation.
Wir brauchen als Impro-Spieler die Neugierde. Improtheater ist keine Plattform, um sich für festgelegte Schemata feiern zu lassen. Vielmehr sind wir intellektuell gefordert, neue Pfade zu erkunden. Wenn die Gruppe ihre Neugierde verliert, erstarrt sie. Wir können es uns als Impro-Spieler nicht erlauben, den allzu bequemen Weg zu gehen. Genieße es, wenn du eine Grenze überwunden hast und lote das neu gewonnene Feld aus.
Die klassischen westlichen Storys haben oft ähnliche Strukturen.68 Aber diese Strukturen sind grobe Gerüste, die noch nichts über den Verlauf der einzelnen Szenen aussagen. Wenn man sich...