Nomadendasein von Georg Girardet, aufgezeichnet
von Thomas Irmer
Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)
Assoziationen: Theatergeschichte
Als ich im Dezember 1991 nach Leipzig kam, fand ich das TdJW in einer schwierigen Situation vor. Es wurde im Haus Leipzig gespielt, später in anderen improvisierten Spielstätten. Das war ein Nomadendasein, und natürlich litt die öffentliche Präsenz darunter. Im Vergleich zu den großen Einrichtungen stand das TdJW im Schatten und bekam auch von der Politik nicht die Wertschätzung, die es eigentlich verdient hätte. Da war es doch erstaunlich, dass 1993 der Beschluss gefasst werden konnte, das Haus der Volkskunst in ein Theaterhaus umzuwandeln. Das war ein mühseliger und langwieriger Prozess, eigentlich unvertretbar. Bis zur Inbetriebnahme des Großen Saals 2003 hat es zehn Jahre gedauert. Vorher war schon die Verwaltung dort eingezogen, dann gab es zunächst nur den kleinen Saal – dieser unbefriedigende Zustand erstreckte sich also auf eine längere Zeit.
Ich sah das TdJW mit seinen besonderen Problemen als immer sehr wichtig an, aber im Stadtrat gab es andere Prioritäten, vor allem im Bereich der Kulturbauten. Es gab unendlich viele Aufgaben im baulichen Bereich. In meiner ganzen Amtszeit habe ich eine halbe Milliarde DM verbaut. Und doch ist das TdJW im Bereich der Kulturbauten gegenüber Gewandhaus, Oper, Schauspiel oder Völkerschlachtdenkmal nach hinten gerutscht. Da gab es immer wieder Abstriche...