Theater, Krieg und die Erschütterung des Kapitalismus
Dada-Bewegung
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
1916 „geboren“ im Krieg und vehement gegen ihn gerichtet, war der internationale Dadaismus kultureller Auftakt, ja die Wiege und tief prägendes Ausgangsstadium für entscheidende Wandlungen des westlichen avancierten Theaters. Er brachte extrem zum Ausdruck, wie die notvolle Erfahrung des katastrophalen Massenmordens zur tiefgehenden Desillusionierung über die hegemonialen Werte und Weltanschauungsraster der bürgerlichen Gesellschaft führte, zur Verschmelzung von Kunst (Avantgarde) und Leben und so Theater zur Auseinandersetzung mit entscheidenden gesellschaftlichen Realitäten drängte.10 Die Bildungs- und Kunstideale als (triviales) Varietéprogramm, notierte Hugo Ball 1916 in Zürich, dem Ausgangzentrum der internationalen Dada-Bewegung, „das ist unsere Art von CANDIDE, gegen die Zeit […]. Der Schindanger wächst, und man hält am Prestige der europäischen Herrlichkeit fest.“11 Der Dadaist liebe das Außergewöhnliche, „ja das Absurde. Er weiß, daß sich im Widerspruche das Leben behauptet und daß seine Zeit wie keine vorher auf die Vernichtung des Generösen abzielt. Jede Art Maske ist ihm darum willkommen.“ Das Direkte und Primitive erscheine ihm inmitten enormer Unnatur als das Unglaubliche selbst. „Da der Bankrott der Ideen das Menschenbild bis in die innersten Schichten zerblättert hat, treten in pathologischer Weise die Triebe und Hintergründe hervor. Da keinerlei Kunst, Politik oder Bekenntnis diesem Dammbruch gewachsen scheinen, bleibt nur...