Magazin
Reine Präsenz
Gedanken zur Neuauflage von Robert Wilsons „Einstein on the Beach“
von Frank M. Raddatz
Erschienen in: Theater der Zeit: Auftreten und leuchten – Gisela Höhne und das Theater RambaZamba (04/2014)
1976 feierte „Einstein on the Beach“, eine Oper von Philip Glas und Robert Wilson, in Avignon eine sensationelle Premiere. 38 Jahre später lädt das Haus der Berliner Festspiele zu einer, wie sich zeigen soll, frenetisch bejubelten Neuauflage. Dieser visuelle Trip ohne Handlung und narrative Struktur wird heute als theatergeschichtliches Paradigma akklamiert.
Ich bin fest entschlossen, mich von dem Magier Wilson hypnotisieren und in Trance versetzen zu lassen, um wachen Auges durch ästhetische Räume zu treiben, in denen die Zeit mittels unendlicher Wiederholungen aufgehoben scheint. Nur will es leider nicht gelingen. Zu viele Tagesreste wandern durch mein Hirn. Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Clemens J. Setz am Vormittag, der mich mit einem Modell bekannt machte, wo der menschliche Körper als eine Art Welle betrachtet wird, in der sich permanent Zellen aufbauen und andere vergehen. Erst mit dem Tod eines Körpers ende diese Bewegung. Danach studierte ich im Archiv der Berliner Volksbühne Dokumente der Ära Besson und Rödel. Parteiarbeit der SED, wo Beschlüsse oder Gespräche mit Genossen festgehalten wurden und neben allen Regulierungen und Disziplinierungen ernsthaft über die Frage nachgedacht wurde, wie die Arbeiter stärker ins Theaterleben eingebunden werden könnten. Kaum noch vorstellbar, dass es sich dabei einmal um eine festgefügte Realität...