Meine Welt
von Idil Baydar
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Das Wort „postmigrantisch“ ist für viele emotional abstrakt und nicht greifbar. Für mich ist es wie ein Nest, eine Art von Heimat. Ich habe 2001 schon am Gorki gespielt, in dem Stück Koppstoff von Feridun Zaimoğlu, zusammen mit Idil Üner, Ilknur Bahadir, Sengül Boral und anderen – aber das Theater war damals für mich nur ein Arbeitsort. Nicht mehr. Erst mit der Intendanz von Shermin Langhoff hat es sich zu einem Haus entwickelt, das ich Zuhause nenne. Nicht so ein Zuhause wie bei Mama, sondern eine Heimat im künstlerischen Sinn. Wo ich weiß, ich treffe dort auf Menschen, die sich nie vorstellen konnten zu schauspielern, ein Stück zu schreiben, überhaupt an einem Theater zu arbeiten, aber die dazu empowert wurden. Was mich mein Leben lang verfolgt: darum streiten zu müssen, dass meine Existenz selbstverständlich ist. Im Alltag ist das nach wie vor so. Am Gorki nicht, und das ist eine unschätzbar schöne Erfahrung.
Seit ich hier mit meiner Show Weihnachten Helal! als Jilet Ayşe auftreten durfte und Shermin das möglich gemacht hat, fühle ich mich als Teil dieses besonderen Ortes in Deutschland, wo ich nicht entfremdet bin. Wo alle ihr Herz reinlegen, wo wir gemeinsam aktivistisch werden, gegen die Urteile...