Zeit, Klarheit zu schaffen
Die Romandie: Eine blasse Kopie Frankreichs?
von Laurence Perez
Erschienen in: Arbeitsbuch 2025: diversité suisse – landscapes des zeitgenössischen theaters (07/2025)
Assoziationen: Schweiz

Als ich anfing, für die „Sélection suisse en Avignon“ zu arbeiten, einer neuen Plattform zur Sichtbarkeit des Schweizer Bühnenschaffens, neckten mich meine französischen Kolleg:innen: „Du arbeitest für die Schweiz? Wie bist du denn auf die Idee gekommen?!“ Als wir 2016 für unsere erste Ausgabe in die Stadt der Päpste kamen, war die Neugier groß. Aber die Fassungslosigkeit – zumindest die Skepsis – auch: „Los, gib’s schon zu: Du hast die fünf Perlen des Landes entdeckt, aber jetzt wird es schwieriger, oder?“ Inzwischen kann niemand mehr daran zweifeln, dass die Schweizer Szene Talent hat.
Was war da passiert, innerhalb eines Jahrzehnts? Die Schweiz konnte sich still, aber entschieden einen Weg in die französische, sogar in die europäische Kunstlandschaft bahnen. Frankreich wiederum hat diese kleine Schwester, die bis auf wenige Ausnahmen lange als „künstlerisch neutral“ und daher als uninteressant galt, zu einer bedeutenden Kraft der Kulturszene aufsteigen lassen. Sicherlich hat es schon immer ein paar Schweizer Persönlichkeiten gegeben, die als bedeutend anerkannt wurden. So fallen einem insbesondere Christoph Marthaler ein oder neuerdings auch ein anderer Deutschschweizer: Milo Rau. Aber es waren nie viele und vor allem nie so viele gleichzeitig. 2019 war der Autor und Regisseur François Gremaud erst der neunte Westschweizer...