Fünftes Rad im Theaterkombinat, aufgezeichnet
von Thomas Irmer
Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)
Assoziationen: Theater der Jungen Welt
Marion Firlus (Dramaturgin am TdJW 1981–2015):
Ich bin 1981 an dieses Theater gekommen. Das war eine Strafversetzung, was schon einiges über den Stellenwert des Theaters damals sagt. Mein Freund hatte das Schauspiel verlassen und wurde, wie jeder andere vor ihm auch, zur persona non grata erklärt. Ich war in der Dramaturgie, und der Intendant wollte mich dort nicht mehr sehen und versetzte mich ans TdJW. Im Kayser-Kombinat wurde das TdJW nicht besonders gemocht, obwohl es auf Anregung der Sowjetischen Militäradministration einst nach dem Motto »große Kunst für kleine Zuschauer« gegründet worden war. Wir waren sozusagen das fünfte Rad am Wagen. Aus der Sicht des Generalintendanten gab es folgende Rangordnung: Schauspiel, Oper, dann die schon ungeliebte Operette und dann irgendwann das TdJW. Es war festgelegt, dass wir hier nur bis zum Alter von 14 Jahren zu spielen hatten, alles darüber hinaus war Aufgabe des Schauspielhauses. »Das Tagebuch der Anne Frank« wurde deshalb im Schauspielhaus gezeigt, und nicht von uns. Das hatte weit reichende Folgen für unseren Spielplan. Der bestand hauptsächlich aus den Bearbeitungen klassischer Märchen, Stücke von Autoren aus der DDR, der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern. Der westliche Kanon war praktisch Tabu, auch weil Devisen für Tantiemen in erster Linie...