Theater der Zeit

5.3 Ein historischer Überblick über die Emotionstheorien im Regietheater

von Viktoria Volkova

Erschienen in: Recherchen 152: Zur Konstituierung der Kunstfigur durch soziale Emotionen – Probenarbeit von Dimiter Gotscheff, Thomas Langhoff und Thomas Ostermeier (12/2019)

Assoziationen: Regie

Abbildung 4: Klassifikation der Zustände der menschlichen Seele nach J. J. Engel. Quelle: Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 165
Abbildung 4: Klassifikation der Zustände der menschlichen Seele nach J. J. Engel.Foto: Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 165

Die Versuche, Emotionen für die Schauspielmethoden zu klassifizieren und ihre Funktion für die Gestaltung der Rollenfigur zu bestimmen, gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. 1727 verfasste der Jesuitenpater Franciscus Lang eine Abhandlung über die Schauspielkunst mit dem Titel Dissertatio de actione scenica. Die Schauspielkunst begreift er darin als »schickliche Biegsamkeit des ganzen Körpers und der Stimme, die geeignet ist, Affekte zu erregen«105. Ein wesentlicher Teil seines Werks befasst sich mit der »Beherrschung des Körpers selbst« bzw. mit »[den] Bewegungen und Stellungen, […] [der] Veränderung der Stimme, welche sie nach den Gesetzen der Kunst und Natur vereint, so daß sie den Zuschauern Genuß verschafft und daher wirksamer zum Affekt führt«106. Erörtert werden in diesem Zusammenhang etliche Regeln für einen »kunstvollen« Einsatz der Körperglieder, Gesten und Gebärden. Um z. B. Trauer auf der Bühne »richtig« darzustellen, solle der Schauspieler »mehr agieren als sprechen«107. Es werden ihm Körperpositionen und -bewegungen empfohlen, die den Affekt der Trauer »am besten« auszudrücken erlauben:

In heftigem Schmerz oder in der Trauer ist es nicht unangebracht, ja es verdient sogar Lob und erweckt Wohlgefallen, wenn man, entweder mit beiden vorgeschlagenen Händen oder indem der Kopf in den Armen verborgen wird, gelegentlich...

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