5 Soziale Emotionen in den Probenprozessen
5.3 Ein historischer Überblick über die Emotionstheorien im Regietheater
von Viktoria Volkova
Assoziationen: Regie

Die Versuche, Emotionen für die Schauspielmethoden zu klassifizieren und ihre Funktion für die Gestaltung der Rollenfigur zu bestimmen, gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. 1727 verfasste der Jesuitenpater Franciscus Lang eine Abhandlung über die Schauspielkunst mit dem Titel Dissertatio de actione scenica. Die Schauspielkunst begreift er darin als »schickliche Biegsamkeit des ganzen Körpers und der Stimme, die geeignet ist, Affekte zu erregen«105. Ein wesentlicher Teil seines Werks befasst sich mit der »Beherrschung des Körpers selbst« bzw. mit »[den] Bewegungen und Stellungen, […] [der] Veränderung der Stimme, welche sie nach den Gesetzen der Kunst und Natur vereint, so daß sie den Zuschauern Genuß verschafft und daher wirksamer zum Affekt führt«106. Erörtert werden in diesem Zusammenhang etliche Regeln für einen »kunstvollen« Einsatz der Körperglieder, Gesten und Gebärden. Um z. B. Trauer auf der Bühne »richtig« darzustellen, solle der Schauspieler »mehr agieren als sprechen«107. Es werden ihm Körperpositionen und -bewegungen empfohlen, die den Affekt der Trauer »am besten« auszudrücken erlauben:
In heftigem Schmerz oder in der Trauer ist es nicht unangebracht, ja es verdient sogar Lob und erweckt Wohlgefallen, wenn man, entweder mit beiden vorgeschlagenen Händen oder indem der Kopf in den Armen verborgen wird, gelegentlich das ganze Gesicht eine Zeitlang völlig verdeckt und sich dabei an eine Kulisse lehnt; oder man kann auch in dieser Stellung einige Worte, welche die Zuhörer nicht zu verstehen brauchen, in den Ellenbogen oder in den Busen flüstern, doch gerade aus diesem Flüstern, das mehr als die Worte selbst besagt, wird die Gewalt des Schmerzes offenbar.108
Ein guter Schauspieler soll also in der »Anwendung angemessener paralinguistischer und kinesischer – mimischer, gestischer und proxemischer – Zeichen«109 so gut geübt sein, dass er diese einstudierten Zeichen auf der Bühne zum Ausdruck des einen oder anderen Affekts geschickt verwenden kann, um so auf die Sinne des Zuschauers einzuwirken und in diesem selbst etwaige Affekte auszulösen. Lang selbst bestätigt und legitimiert die Anwendung der körperlichen Zeichen: »Es ist nämlich leichter, etwas durch ein Zeichen anzudeuten, als es mit Worten auszusprechen, weil hier der Geist mehr leisten muß als dort.«110 Lang gibt dem Spiel – und somit der Gebärde, der Geste und der Körperhaltung – Vorrang vor der Rede:
Ein Grundsatz ist folgender: das Spiel soll der Rede vorangehen. […] Dafür ein Beispiel. Einer begehrt von einem anderen, was dieser nicht gewähren will oder kann: so lasse dieser die Ablehnung zuerst durch seine Gebärden erkennen, ehe er sie mit Worten ausdrückt, und ebenso in anderen Fällen.111
Paralinguistische Zeichen sind somit im Verhältnis zu linguistischen Zeichen primär (dieser Sachverhalt trifft übrigens auch aus heutiger Sicht zu112): Der pragmatische Sinn einer Handlung wird oft nicht durch sprachliche, sondern durch mimische, gestische, intonatorische, räumliche oder andere Ausdrucksmittel hervorgebracht. Den »Affekten« selbst widmet Lang nur vier kurze Seiten seiner Schrift. Er behandelt zum größten Teil den Affekt der Trauer. Bei den Affekten der Freude, der Liebe, der Sehnsucht und »ähnlichen Affekten« identifiziert er »Redseligkeit, Heiterkeit, Küsse« und »leichte Bewegungen«, »wozu es keiner besonderen Kunst bedarf«113. Den Affekt des Zorns unterteilt Lang in »gewöhnlichen Zorn« und in den Zorn, der »das Maß überschreitet und in Raserei ausrastet«.114 Im letzteren Fall »hält sich freilich auch die Darstellung an kein Maß. […] Dennoch möge der kluge Schauspieler sich so betragen, daß er bei allem, insbesondere, wenn er vornehme Personen darstellt, die Schicklichkeit nicht vergesse, ohne welche die Bühne ein Narrenhaus, kein Schauplatz der Klugheit wäre.«115 Als »Schauplatz der Klugheit« hatte die Barockbühne die Aufgabe, nicht »die Illusion eines tatsächlichen Geschehens hervorzurufen, sondern […] dem Zuschauer eine exemplarische Figur zu präsentieren«116. Aber was galt zur damaligen Zeit als schauspielerisches »Exempel«? Nach welchen Kriterien bildeten sich die Schauspieler aus? Soweit die bisherigen Studien über das Theater des 18. Jahrhunderts belegen, ist Langs in Latein verfasste Abhandlung über die Schauspielkunst »keinem der damaligen Berufsschauspieler bekannt gewesen«117. Der Theaterhistoriker Wilfried Passow führt aus, dass »die aus der Praxis und für die Praxis des Schultheaters geschriebene Schrift für das Berufstheater wirkungslos [blieb]«118. Dass die Dissertatio »die Bühnenpraxis des Jesuitenordens zu reformieren suchte«119, bestätigt auch der Übersetzer von Langs Schrift ins Deutsche, Alexander Rudin, im Nachwort zu seiner Übersetzung. Im Jesuitenkolleg existierte nämlich die Praxis theatraler Darbietungen (z. B. Herbstspiele, Deklamationen, Promulgationsstücke), welche die Schüler der Jesuitenkirche im Lauf des Schuljahrs betreiben sollten.120 Deswegen richtet Pater Franciscus Lang seine Schauspiellehre, wie er selbst berichtet, hauptsächlich »einer gebildeten Jugend zu Gefallen«121, womit er wohl die Schüler des Jesuitenkollegs meinte.
Neben den Schultheatern, die meistens im kirchlichen Milieu existierten, gab es auch Wandertruppen, die die Basis der sogenannten Laienbühnen bildeten:
Deutsches Theater spielten neben den erwähnten Schultheatern die Wanderbühnen. Ein Zusammenwirken von Autoren und Darstellern […] gab es in Deutschland nur bei den Laienbühnen; Langs Dissertatio ist ein Zeugnis dafür. Den frühen deutschen Wandertruppen waren die Stücke, soweit vorhanden, lediglich eine Spielgrundlage. Daß es einen Sinn zu begreifen und zu vermitteln gab, […] dürfte wohl keinem deutschen Prinzipale und Schauspieler bewußt gewesen sein. Es ging ihnen nicht darum, eine Rolle der Dichtung […] angemessen darzustellen, und so bedurfte es auch keiner »Personenregie«.122
Und so ist hiermit eine Andeutung auf die Frage gegeben, wie sich die Schauspieler im frühen 18. Jahrhundert ausbildeten. »[D]as bestimmte Element des Theaters [war] das Spielen aus dem Stegreif.«123 Wie Passow weiter erörtert, »[waren] die Schauspieler die alleinigen Herren der Bühne«.124 Dabei lehnt sich Passow an die Quellenstudien von Sybille Maurer-Schmoock und die Memoiren des zeitgenössischen Schauspielers Johann Heinrich Müller an. Maurer-Schmoock erkennt, dass neben dem virtuosen Einsatz improvisatorischer Praktiken (des Stegreifspiels) »zum Gelingen des Ganzen eine geradezu atmosphärische Kontaktsensibilität der Mitspieler untereinander erforderlich [war]«.125 Über die Kunst des Stegreifspiels schreibt Johann Heinrich Müller gegen Ende der 1770er Jahre auf Basis eigener Erfahrungen:
[…] eine Kunst, […] die ungemein viel zum richtigen Gebärdenspiele beiträgt, Gegenwart des Geistes, Aufmerksamkeit verlangt und einen wahren, nicht deklamatorischen, sondern aus der Natur gehobenen Vortrag bewirkt. […] [Diese] Kunst [ist] nicht so leicht, als sie zu sein scheint, und […] rastlose Mühe, Studium und Übungen fordert.126
Woraus diese Übungen des Stegreifspiels bestanden, ist laut Passow nicht überliefert. Dene Barnett identifiziert indes in der Schauspielkunst des 18. Jahrhunderts ein »zeichenhaftes Verhalten auf Seiten der Bühne«127, worüber er in seiner grundlegenden Studie The Art of Gesture: The Practices and Principles of 18th Century Acting von 1987 schreibt. Barnett hat dieses zeichenhafte Verhalten durch die Schauspieler mit Blick auf die Körpersprache, »wie sie von Schauspielern und Sängern sowohl in der Tragödie als auch in der ernsten Oper des 18. Jahrhunderts benutzt wurde, sowie die Quellen, die der historiographischen Forschung im Hinblick auf diese Sprache zugrundeliegen«128, eingehend studiert. Barnett diagnostiziert im Zuge dessen eine enge Verbindung zwischen der Kunst der Gebärde und der klassischen Rhetorik129:
Die Quellen des 16., 17. und 18. Jahrhunderts lassen erkennen, daß die von Schauspielern eingesetzte Kunst der Gebärde der der Redner sehr nahe kam. […] Ob im Gerichtssaal, im Parlament, ob zu feierlichen Anlässen in Universitäten, ob im Salon oder auf dem Schlachtfeld, ob auf der Kanzel oder der Bühne: ohne Rhetorik, ohne den die Rede akkompagnierenden Gestus war öffentliches Leben undenkbar.130
Wie genau sich die Beherrschung der Kunst der Gebärde vollzog, analysierte Barnett im Verhältnis zwischen der Schauspielkunst und den bildenden Künsten, indem er die Schauspielbücher, Schriften der Priester und Prediger einerseits und Gemälde und Plastiken andererseits studierte und detailliert verglich:
Schauspieler, Sänger und Redner (einschließlich der Kanzelredner) wurden dazu angehalten, Figuren auf Gemälden, Stichen oder auch Plastiken, als Vorbilder guten Stils in Gestik, Körperund Ausdruckshaltung zu sammeln, zu studieren, zu skizzieren und nachzuahmen. Insbesondere zeitgenössischen Berichten ist zu entnehmen, daß Schauspieler und Sänger gelegentlich eine bestimmte Haltung oder eine Geste aus einem Gemälde oder einer Plastik zum Vorbild nahmen, studierten und übten, um sie in ihre eigene Darstellung auf der Bühne ein[zu]beziehen.131
Daraus ist für die Schauspielerausbildung zu schließen, dass sich die Schauspieler die Kunst des zeichenhaften Verhaltens (die die Kunst der Gebärden und der Körperhaltung auf der Bühne einbezog) ausschließlich über die Selbstausbildung aneignen konnten. Im frühen 18. Jahrhundert waren die am weitesten verbreiteten theatralen »Verbände« in Deutschland die Wandertruppen – die Vertreter des bürgerlichen Volkstheaters (die aber auch oft an Hoftheatern132 gastierten) – und Schulbühnen (Ordenstheatern). Während bei ersteren das Stegreifspiel als überwiegende Spieltechnik galt und deswegen keine Notwendigkeit für eine »leitende« Instanz bestand (die heute durch den Regisseur vertreten ist), standen die Schüler eines Jesuitentheaters, was auch Langs Schrift zu entnehmen ist, unter der Leitung der sogenannten Choragen. Vom Choragen wurden die Fähigkeiten eines »Dichters und Lateiners«, eines »vorzüglichen Moralisten«, eines »ausgezeichneten Schauspielers« sowie »eine lebhafte Phantasie oder Vorstellungskraft«133 erwartet. Es lässt sich annehmen, dass das Schultheater des frühen 18. Jahrhunderts im Vergleich zu den Wanderbühnen über ein viel geregelteres »Theatersystem« verfügte und provisorisch sogar als Vorstufe des Regietheaters zu bezeichnen wäre. Es steht fest, dass Langs Vorschriften an die Schauspieler und an die »Choragen«, seine Lehre über die Affekte und über den akribischen Körpereinsatz der Darsteller nur in den regelbefolgenden Schul-, Ordens- und Hoftheatern (für die diese Abhandlung eigentlich konzipiert wurde) verwendet werden konnten. Die in improvisatorischen Techniken geübten Wanderspieler hätten »mit einem deutlichen Übergewicht zugunsten der regeldurchbrechenden Gestik«134 die geregelte Lang’sche Schauspiellehre nicht akzeptiert, weil ihre Aufführungen ausschließlich durch ihre eigene Improvisationsfähigkeit bedingt waren und von keinem »Regisseur« abhingen.135 Erst später, im Vorfeld der allmählichen Etablierung des deutschen Nationaltheaters in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts,136 zeichnen sich Tendenzen ab, die eine gründliche Reform der Schauspieltechniken und Schauspielkunst im Allgemeinen verlangen. Die Schauspieler blieben nach wie vor der Selbstausbildung überlassen, aber die Zeit der Aufklärung hat für die Verbreitung und Popularisierung der fortschrittlichen Affektenlehre, Schriften über die »Zustände der Seele«, Gebärden, Gesten, Bewegungen auf der Bühne gesorgt, sodass die Schauspieler sich nach und nach an die Regeln des Theaters der Aufklärung zu halten begannen.
Ein wichtiger Wendepunkt, der die deutschen Schauspieler zur Reformierung ihrer Schauspieltechniken bewog, hängt mit der scharfen Kritik Gotthold Ephraim Lessings am »französierenden« Theater zusammen. Lessing kritisierte vor allem den Theaterreformer Johann Christoph Gottsched, der das deutsche Theater nach französischem Vorbild aufbauen wollte:
[…] er ließ den Harlekin feierlich vom Theater vertreiben,137 welches selbst die größte Harlekinade war, die jemals gespielt worden; kurz, er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines neuen sein. Und was für eines neuen? Eines französierenden, ohne zu untersuchen, ob dieses französierende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sei oder nicht.138
Vor allem der Spielplan sollte durch eine Verringerung des Anteils von französischen bzw. »französierenden« Stücken verändert werden. Im Gegenzug waren Lessing Stücke »nach dem Geschmack der Deutschen«139 sehr willkommen. Daneben entstand eine gesetzmäßige Notwendigkeit, auch die Schauspielkunst grundlegend zu verändern. Solche Initiativen gingen vor allem von den Schauspielern selbst aus. So gründete der berühmte deutsche Schauspieler Conrad Ekhof mit den Mitgliedern der Schönemannschen Gesellschaft 1753 die erste deutsche Schauspielerakademie in Schwerin (die aber nur ein Jahr lang bestand). Die Schauspielkunst selbst bestimmte Ekhof wie folgt: »Die Schauspielkunst ist: durch Kunst der Natur nachahmen, und ihr so nahe kommen, daß Wahrscheinlichkeiten für Wahrheiten angenommen werden müssen oder geschehene Dinge so natürlich wieder vorstellen, als wenn sie jetzt erst geschehen.«140 Ähnliche Forderungen an die zu verbessernde Schauspielkunst stellte auch Lessing. Insbesondere in der Hamburgischen Dramaturgie, der in 104 Stücke eingeteilten theoretischen Lehre über die Schauspielkunst, behandelt er die zur damaligen Zeit bestehenden Probleme der zu entwickelnden Schauspielkunst in Deutschland. Drehpunkte dieser Schrift sind einerseits seine Beobachtungen der gespielten Stücke, die dort von den Schauspielern eingesetzten Ausdrucksmittel sowie die Einwirkung der Spieler auf die Zuschauer. Andererseits ist es seine theoretische Auseinandersetzung mit den bereits bestehenden (und überwiegend französischen) Schriften über die theatrale Kunst sowie mit den zu etablierenden allgemeinen Regeln der Schauspielkunst, »deren [er selbst] kaum zwei oder drei [wüßte]«141. Ausgerechnet diese kritische Auseinandersetzung mit den französischen Aufklärern bildet die Grundlage für eine Akzentverschiebung von den in der französischen Diskussion postulierten Vorstellungen von »Leidenschaften« und »Empfindungen« eines Schauspielers auf »die Zustände der Seele«, für die deutsche Gelehrte der Aufklärung (von Conrad Ekhof bis Johann Jakob Engel) in ihren Überlegungen zur Schauspielkunst plädierten. Während die französische Affektlehre die Leidenschaften und Empfindungen, wie Fischer-Lichte zu Recht vermerkt, »als überpersönliche Kräfte hypostasier[en], […] weist der Begriff des ›Zustandes‹ oder der ›Beschaffenheit‹ der Seele eher auf die Einheit der einzelnen Person hin, welche diese Leidenschaften empfindet – sie sind als Modifikationen ihrer Seele bestimmt«142. Der Schauspieler wird demzufolge als einziger Verantwortlicher für die körperliche Hervorbringung der »Modifikationen der Seele« und somit der Emotionen erklärt. Im dritten Stück der Hamburgischen Dramaturgie formuliert Lessing zur Anleitung für die theatrale Darstellung von Emotionen ein »Gesetz«143, das auf eine Wechselwirkung zwischen der Beobachtung und Nachahmung, dem Ausdruck durch »körperliche Veränderungen« und den »Modifikationen der Seele« hinweist. Als Folge dieser Wechselwirkung gelangt der Schauspieler
zu einer Art von Empfindung144 […], die zwar die Dauer, das Feuer derjenigen, die in der Seele ihren Anfang nimmt, nicht haben kann, aber doch in dem Augenblicke der Vorstellung kräftig genug ist, etwas von den nicht freiwilligen Veränderungen des Körpers hervorzubringen, aus deren Dasein wir fast allein auf das innere Gefühl zuverlässig schließen zu können glauben.145
Auch diese Art Empfindung (die Lessing der »ursprünglichen Empfindung«146 gegenüberstellt) kann in den Körper des Schauspielers zurückwirken, also »körperliche Veränderungen« in ihm hervorrufen, die dem Zuschauer sichtbar werden. Der Schauspieler, der »lange genug nichts als nachgeäffet hat«, sammelt sich durch die Beobachtung »eine Menge kleiner Regeln, nach denen er selbst zu handeln anfängt«147. Wenn solch ein Schauspieler z. B. die
allergröbsten Äußerungen des Zornes, einem Akteur von ursprünglicher Empfindung abgelernet hat, und getreu nachzumachen weiß – den hastigen Gang, den stampfenden Fuß, den rauhen bald kreischenden bald verbissenen Ton, das Spiel der Augenbraunen, die zitternde Lippe, das Knirschen der Zähne usw. – wenn er, sage ich, nur diese Dinge, die sich nachmachen lassen, sobald man will, gut nachmacht: so wird dadurch unfehlbar seine Seele ein dunkles Gefühl von Zorn befallen, welches wiederum in den Körper zurückwirkt, und da auch diejenigen Veränderungen hervorbringt, die nicht bloß von unserm Willen abhangen; sein Gesicht wird glühen, seine Augen werden blitzen, seine Muskeln werden schwellen; kurz, er wird ein wahrer Zorniger zu sein scheinen, ohne es zu sein, ohne im geringsten zu begreifen, warum er es sein sollte.148
So führt Lessing anhand solcher Schilderungen und Beispiele die »Grundsätze von der Empfindung überhaupt«149 ein: »die Modifikationen der Seele, welche gewisse Veränderungen des Körpers hervorbringen, [werden] hinwiederum durch diese körperlichen Veränderungen bewirket«150.
Nach dem Schema Körperliche Veränderungen – Modifikationen der Seele – Empfindung – Rückwirkung in den Körper soll Lessing zufolge also jeder Schauspieler handeln, der nicht »von ursprünglicher Empfindung« ist. Ein weiteres Problem, das Lessing beschäftigt, ist die Ausarbeitung der allgemeinen theatralen Zeichen der Schauspielkunst. Bereits im Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie bezeichnet er die Schönheit und die Wahrheit als Hauptkriterien, nach denen sich die bildenden Künste bzw. die Dichtung ausrichten sollen.151 Fischer-Lichte führt dazu in ihrer Semiotik des Theaters aus:
Denn wenn die Kunst Körper nachahmt, ist nach Lessing »die Schönheit ihr höchstes Gesetz«, wenn sie aber Handlungen als Gegenstände ihrer Nachahmungen auswählt, ist »Wahrheit und Ausdruck … ihr erstes Gesetz«.152
Für die Schauspielkunst haben nach Lessing »die Bestimmungen beider Kunstgattungen Gültigkeit«: »Das Ideal der Schauspielkunst stellen für ihn also kinesische (und paralinguistische) Zeichen dar, die sowohl vollkommen wahr als auch vollkommen schön sind.«153 Als wichtigste Aufgabe einer zu etablierenden Schauspielkunst sieht Lessing die Ausarbeitung und Ausbildung der »natürlichen kinesischen Sprache« der Schauspieler: Aber »in der Form, in der er sich ihrer auf der Bühne bedienen muß, [kann er sie (d. h.: die Sprache)] nicht in der Wirklichkeit auffinden«.154 Die Frage, auf welche Weise sich die Schauspieler das Wissen über die »wahrhaften« und »schönen« Zeichen erwerben sollen, lässt Lessing offen. Nach der Analyse weiterer Lessing’scher Schriften kommt Fischer-Lichte allerdings zu dem Schluss, dass es für Lessing »durchaus möglich [ist], aus den beobachtbaren ›besonderen Arten‹, in denen sich in der empirischen Wirklichkeit die unterschiedlichen Fähigkeiten, Gesinnungen und Leidenschaften ausdrücken, eine ›allgemeine Art zusammenzusetzen‹, in der sie auf das ›allervollkommenste‹ ausgedrückt werden«155. Die einzige unbestrittene Beziehung zwischen den »wahrhaften« Zeichen (die den vom Schauspieler ausgeführten Gesten analog sind) und den inneren Vorgängen des Schauspielers besteht, wie Fischer-Lichte ausführt, in ihrer Ähnlichkeit:
Da die Gesten, welche der Schauspieler ausführt, nur natürliche Zeichen sein sollen, folgt, daß die Gesten zu den Begriffen, die sie ausdrücken, ebenfalls eine Beziehung der Ähnlichkeit haben müssen. Auf diese Ähnlichkeit spielt bereits Diderot an, wenn er von der »Bildhaftigkeit« der gestischen Sprache der Taubstummen spricht. Kinesische Zeichen können also nicht nur inneren Zuständen der Seele, sondern auch Begriffen analog sein. Auch in diesem Fall besteht ihre »Wahrheit« in der größtmöglichen Ähnlichkeit.156
Die Schönheit der ausgeführten Gesten kann nach Lessing nur durch ständige Übung erzielt werden. Aber auf konkretere Richtlinien für diese Leistung kommt Lessing nicht zu sprechen. Er formuliert lediglich – wenn auch nicht ohne Bedauern und ohne Verdruss –, dass es keine allgemeinen Regeln gibt, nach denen sich die Schauspieler bei der Übung richten könnten:
Allgemeines Geschwätze darüber hat man in verschiedenen Sprachen genug: aber spezielle, von jedermann erkannte, mit Deutlichkeit und Präzision abgefaßte Regeln, nach welchen der Tadel oder das Lob des Akteurs in einem besonderen Falle zu bestimmen sei, deren wüßte ich kaum zwei oder drei.157
Eine genauere und systematischere Klassifikation der Gesten und der ihnen entsprechenden inneren Zustände der Seele sowie eine präzisere Formulierung der Methoden der Hervorbringung dieser Gesten wurde erst zwei Jahrzehnte später nach Lessing von Johann Jakob Engel in seiner Schrift Ideen zu einer Mimik158 vorgebracht. Engel unterteilt die Gesten in erster Linie nach ihrer Funktion: in die bedeutenden und in die hinweisenden.159Die hinweisenden Gebärden soll der Schauspieler nur einsetzen, wenn er den Text »richtig« verstanden hat: Er soll »mit seinen Bewegungen nur die wichtigern Stellen unterstützen, soll die auffallendsten Bewegungen, wie die Erhebung des Fingers, das weiteste Ausgreifen der Hand, usw. nur für die bedeutendsten Gedanken sparen«160. Die bedeutenden Gebärden stehen im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Engel unterteilt sie in malende und ausdrückende Gebärden. Malende Gesten sind »vor allem geeignet, den menschlichen Körper und Handlungen nachzuahmen. Ihre Bedeutungen kommen ihnen kraft ihrer Ähnlichkeit mit dem nachgeahmten Gegenstand zu.«161 »Die Bewegungen der Thiere, als z. B. eines stolzen sich brüstenden Rosses, sind schon nachahmbarer, wie uns das die Knaben in ihren Spielen zeigen; aber am allernachahmbarsten sind die Gestalten und Veränderungen menschlicher Körper.«162 In ausdrückenden Gesten gliedert Engel drei Typen (physiologische, absichtliche und analoge) von Gebärden heraus und unterstreicht ihre enge Verbindung mit den inneren Zuständen der Seele, weil nur durch eine Beziehung zwischen dem Körper und der Seele innere Zustände und Leidenschaften sichtbar würden: »Der Sitz des Gebehrdenspiels ist nicht dieses und jenes Glied, dieser oder jener Theil des Körpers insonderheit. Die Seele hat über alle Muskeln desselben Gewalt, und wirkt, bei vielen ihrer Bewegungen und Leidenschaften, in alle.«163 Mit den physiologischen Gebärden begreift Engel alle »unwillkürlichen Erscheinungen, die zwar freilich physische Wirkungen der innern Gemüthsbewegungen sind, die wir aber in der That nur als Zeichen begreifen; als Zeichen, welche die Natur durch geheimnisvolle Bande mit den innern Leidenschaften verknüpft hat.«164 Dies betrifft etwa Tränen, das Erröten oder das Erblassen. Diese unwillkürlichen Gebärden »wird man daher vom Schauspieler nicht erwarten können«165. Im Gegenteil: Der Unterschied der absichtlichen Gebärden besteht gerade darin, dass sie willkürlich hervorgebracht werden, »um den Trieb der Seele zu befriedigen – nicht jedoch, um diesen Trieb selbst auszudrücken«166:
[…] es sind freiwillige äußere Handlungen, aus welchen die Bewegungen, Triebe und Leidenschaften der Seele, zu deren Befriedigung sie als ein Mittel dienen, ersichtlich sind. Dahin gehören z. B. das Hinneigen gegen den zu beachtenden Gegenstand, der feste angreifende Stand des Zorns, die ausgestreckten Arme der Liebe, die vorgeschlagenen Hände der Furcht und des Schreckens.167
Wahre »Triebe und Leidenschaften der Seele« sind daher nur aus dem gestischen Ausdruck ersichtlich. Der Ausdruck selbst ist die »unwillkürliche Folge«168 der wahren Triebe des Menschen.
Die analogen Gebärden haben ihren Grund »theils […] in dem Triebe der Seele, unsinnliche Ideen auf sinnliche zurückzuführen […]; theils haben sie ihren Grund in dem natürlichen Einfluß der Ideen auf einander, in der Communication […] zwischen den beiden Regionen der klaren und der dunklen Ideen, die einander wechselseitig zu lenken und zu modificiren pflegen.«169 Solche Gebärden »sind nachahmend; nicht das Objekt des Denkens, aber die Fassung, die Wirkungen, die Veränderungen der Seele malend […]«.170
Die Methoden, die Engel den Schauspielern als angemessene Studienmuster zur besseren bzw. vollkommeneren Ausübung von Gesten auf der Bühne empfiehlt, beziehen sich nicht auf die Empfindungen (denn »[w]ahre Empfindungen bemächtigen sich des ganzen Herzens zu leicht, und hemmen oder verfälschen alsdann den Ausdruck, den sie, der Absicht nach, nur verstärken sollten«171), sondern auf die Beobachtung. Und zwar nicht auf die Beobachtung in der Natur (weil die Natur »schwächt oder übertreibt«172), sondern auf die Beobachtung »de[r] Mensch[en] ohne Sitten«: »Der Pöbel, das Kind, der Wilde, kurz der Mensch ohne Sitten, ist der wahre Gegenstand, an dem man den Ausdruck der Leidenschaften studieren muß, so lange man noch nicht auf seine Schönheit, sondern bloß auf seine Kraft, seine Richtigkeit sieht.«173 So fordert auch Engel (wie Lessing) von den Schauspielern die »Wahrheit« und »Schönheit« der theatralischen Zeichen auf der Bühne. Die Art und Weise, wie der Schauspieler diese wahre und schöne Hervorbringung der ausdrückenden Gesten erzielen und durchsetzen soll, zeigt einerseits Fischer-Lichte in der nach Engels Klassifikation der Zustände der menschlichen Seele zusammengestellten Tabelle (S. 255). (Zu betonen ist, dass Engel sich auf das in der Aufklärung fest verankerte Postulat der Analogiebildung stützte, und zwar insofern, als »die körperlichen Veränderungen« laut seinen Darlegungen mit den »seelischen Modifikationen analog verlaufen«.174) Andererseits stellt Engel eine detaillierte Beschreibung der menschlichen Seelenzustände zusammen. In dieser Klassifikation entspricht jedem einfachen Seelenzustand ein körperlicher Ausdruck auf der Bühne. So gehört z. B. die Freude als Zustand der Seele nach Engels Klassifikation den »angenehmen Affekten des Anschauens über sich selbst« zu (Abb. 4). Die Seele »[schließt] dem willkommenen Besuch angenehmer Ideen gleichsam alle Zugänge auf […]«.175Analog zu diesem seelischen Zustand werden nach Engel folgende Gebärden hervorgebracht:
Das Gesicht ist in allen seinen Theilen offen und frei, die Stirne heiter und ausgeglättet; das Haupt schwillt sanft aus den Schultern empor; in dem sprechenden Auge sieht man den ganzen Rand des Lichvollern Apfels; […] der Körper ist von den Händen unbedeckt, der Gang sich hebend und munter; Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Gebundenheit, mit Einem Worte: Grazie herrscht in den Bewegungen aller Glieder.176
Ist es aber Freude an der eigenen Schönheit, »ist es Anstand, Leichtigkeit, Grazie der Bewegungen, die man an sich bewundert: so erhält sich die lächelnde, süße Mine des Vergnügens, das Schöne, Muntre, Reizvolle des Spiels; man hüpft, trillert, singt.«178 Um solche feinen Unterschiede in den seelischen Vorgängen zunächst identifizieren zu können und sie dann auf der Bühne zu realisieren, soll der Schauspieler erstens bereits über entsprechende psychologische Kenntnisse verfügen und zweitens ständig an der Vervollkommnung der ausdrückenden Gesten bzw. des Zeichenrepertoires arbeiten. Jeder Schauspieler soll auch imstande sein, komplexere (zusammengesetzte) Zustände der Seele (auf die Engel kraft des Fehlens »einer adäquaten Wissenschaftssprache«179 zur damaligen Zeit nicht eingehen konnte) wahr, schön und vollkommen auf der Bühne auszudrücken. So zeugt auch Engels Schrift von der Notwendigkeit des Selbststudiums, dem der Schauspieler außerhalb des Theaters wohl seine ganze Zeit widmen musste, um sich mit solch einem schwierigen und äußerst wenig erforschten Studiengegenstand (die psychologischen Zustände des Menschen) vertraut zu machen.
Fünf Jahre nach der Veröffentlichung von Engels Ideen beginnt mit der Ernennung Johann Wolfgang von Goethes zum Leiter des Weimarer Hoftheaters 1791 eine neue Geschichte des deutschen Theaters. Goethe wird als Reformator des Theaters in Deutschland, als einer der »Erfinder des probenintensiven Regietheaters«180 und Grundsteinleger der Schauspielerausbildung gerühmt. Im Folgenden gilt es, auf die Goethe zugeschriebenen Attribute konsequent einzugehen.
In welchen Sparten des Theaters war Goethe Reformator? Annemarie Matzke lotet in ihrer mehrmals erwähnten Habilitationsschrift den Prozess der Herausbildung des professionellen künstlerischen Theaters (unter Goethes Leitung) aus dem Laientheater (unter dem die künstlerische Praxis der Wandertruppen begriffen wird) aus. Diesem Herausbildungsprozess widmet sie ein ganzes Kapitel ihrer Untersuchung. Die Institutionalisierung des Theaters, die Einbettung des Schauspielers, der Theatermitarbeiter und der Theaterkunst als Ganzes in das Regel-, Arbeits-, Wirtschafts- und Rechtssystem181 sind daher Meilensteine für die Formierung des Berufstheaters in Deutschland. Der Begriff des Dilettantismus, der von Goethe und Schiller in Opposition zum professionellen Theater eingeführt wurde, eröffnet Perspektiven auf die von beiden Klassikern Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts reformierten Bereiche der Theaterpraxis. Wenn man die von Matzke identifizierten Eigenschaften eines Dilettanten verallgemeinert, dann zeichnet dieser sich dadurch aus, dass er die Probe dazu nutzt, um seine künstlerischen Fähigkeiten zu erweitern und zu verbessern, während der professionelle Schauspieler, dem die »erwerbsmäßige Ausübung künstlerischen Tuns«182 durch die Theaterleitung erlaubt ist, seine künstlerischen Leistungen im ständigen, anstrengenden Studium vor der Probe (also auch im Alltag) vervollkommnet und die Probe selbst nur als eine notwendige Zusammenführung von sämtlichen Szenen, Elementen, Techniken und Auftritten ansieht.183 »Planbarkeit und Steuerung«184 sind daher die wichtigsten Kriterien des professionellen Theaters. Und der Dilettant ist jemand, der diese Planbarkeit und Steuerung des künstlerischen Prozesses behindert, sei es »die Praxis des Extemporierens – der Schauspieler erfindet, arrangiert oder verändert seine Darstellung (und seinen Text) je nach Reaktionen des Publikums«185, oder aber indem er seine Wahrnehmung der Probe und des künstlerischen Schaffens als die eines Spiels begreift.186 Der professionelle Schauspieler nutzt für seine Ausbildung nicht die Probe, in der normalerweise nur das »Zusammenflicken« der Bestandteile eines Stücks stattfinden soll, sondern er nutzt jeden freien Moment seines gewöhnlichen Lebens, um seine beruflichen Fertigkeiten auszubilden. Diese und viele andere Anweisungen und Vorschriften verankert Goethe in seiner 1803 erschienenen Schrift Regeln für Schauspieler, die ihn zum Grundsteinleger der Schauspielerausbildung zu erheben vermochte. Die Entstehungsgeschichte dieser Postulate geht auf den sogenannten Schauspielerunterricht zurück, über den Goethe Folgendes berichtet:
Es meldeten sich, mit entschiedener Neigung für die Bühne, zwei junge Männer, die sich Wolff und Grüner nannten […]. Nach einiger Prüfung fand ich bald daß beide dem Theater zur besonderen Zierde gereichen würden und daß, bei unserer schon wohlbestellten Bühne, ein paar frische Subjekte von diesem Wert sich schnell heranbilden würden. Ich beschloß sie fest zu halten, und weil ich eben Zeit hatte, auch einer heitern Ruhe genoß, begann ich mit ihnen gründliche Didaskalien, indem ich auch mir die Kunst aus ihren einfachsten Elementen entwickelte und an den Fortschritten beider Lehrlinge mich nach und nach emporstudierte, so daß ich selbst klärer über ein Geschäft ward, dem ich mich bisher instinktmäßig hingegeben hatte. Die Grammatik, die ich mir ausbildete, verfolgte ich nachher mit mehreren jungen Schauspielern, einiges davon ist schriftlich übrig geblieben.187
In diesem Auszug bekennt Goethe seine zuvor nur »instinktmäßige« Beschäftigung mit dem Problem der Schauspielerausbildung. Einiges, was »davon […] schriftlich übrig geblieben [ist]«, ist später in die Regeln für Schauspieler eingegangen: »Die Regeln werden von Goethe diktiert und von beiden Schauspielern individuell mitgeschrieben. Aus diesen Mitschriften entsteht die spätere Form, die erst posthum veröffentlicht wird, als festes Regelwerk durch Paragraphen gegliedert.«188 Daraus ist zu schließen, dass die Regeln ursprünglich nicht geplant waren, sondern aus einer spontanen (also dilettantischen!) künstlerischen Praxis heraus entstanden, an der sich Goethe zum Teil selbst als Schauspiellehrling beteiligte (»indem ich auch mir die Kunst aus ihren einfachsten Elementen entwickelte und an den Fortschritten beider Lehrlinge mich nach und nach emporstudierte«). Aber es ist durchaus erklärbar, dass Goethe für seine »Experimentierbühne«189 ein entsprechendes »Schauspielausbildungsprogramm« ausarbeiten ließ (vermag dieses auch relativ kurz verfasst und sachlich zusammengestellt zu sein): Solch eine Praxis erwies sich im Lauf der weiteren Geschichte der Schauspielerausbildung als äußerst produktiv. Denn knapp anderthalb Jahrhunderte später erarbeitete auch Konstantin Stanislawski sein Schauspielersystem erst dann, als die ersten Studios des Moskauer Künstlertheaters gegründet worden waren.
In Regeln für Schauspieler190 formuliert Goethe exakte Anweisungen (an manchen Stellen sogar mit konkreten Beispielen aus der Praxis) über solch verschiedene Sparten wie Dialekt und Aussprache, Rezitation und Deklamation, Rhythmus, Körperhaltung und Gebärdenspiel, Stellung und Gruppierung auf der Bühne sowie das Betragen des Schauspielers während der Probe und dessen Haltung im gewöhnlichen Leben. Im vorliegenden Kapitel interessiert mich indes in erster Linie Goethes Verhalten zu den Emotionen auf der Bühne, zu der Rolle, die er ihnen in seinen Regeln zuschreibt.
So vermeide man z. B. beim Auswendiglernen »alle Leidenschaft, alle Deklamation, alles Spiel der Einbildungskraft; dagegen bemühe man sich nur, richtig zu lesen und darnach genau zu lernen […]«.191 Goethe plädiert hier dafür, dass in das rein technische Vorbereiten einer Rolle – das Auswendiglernen – keine individuellen Empfindungen investiert werden sollen. Er teilt daher die textuelle Vorbereitung der Rolle in die technische und in die künstlerische Vorbereitung ein. Die technische Vorbereitung des Textes – das Auswendiglernen – soll frei von jeglichen Gefühlen bleiben, während sich der Schauspieler bei der künstlerischen Vorbereitung seiner Textrolle »mit der Empfindung und dem Gefühl«, »mit Energie und dem lebendigsten Ausdruck«192 befassen soll. Die künstlerische Vorbereitung des Rollentextes bezieht Goethe auf die Rezitation (den »Vortrag, wie er […] zwischen der kalten ruhigen und der höchst aufgeregten Sprache in der Mitte liegt«193) und die Deklamation (»gesteigerte[.] Rezitation«194). Für das richtige Hervorbringen der zu rezitierenden Stellen fordert Goethe,
[…] daß man auf [sie] zwar den angemessenen Ausdruck lege und sie mit der Empfindung und dem Gefühl vortrage, welche das Gedicht durch seinen Inhalt dem Leser einflößt, jedoch soll dieses mit Mäßigung und ohne jene leidenschaftliche Selbstentäußerung geschehen, die bei der Deklamation erfordert wird. Der Rezitierende folgt zwar mit der Stimme den Ideen des Dichters und dem Eindruck der durch den sanften oder schrecklichen, angenehmen oder unangenehmen Gegenstand auf ihn gemacht wird; er legt auf das Schauerliche den schauerlichen, auf das Zärtliche den zärtlichen, auf das Feierliche den feierlichen Ton, aber dieses sind bloß Folgen und Wirkungen des Eindrucks welchen der Gegenstand auf den Rezitierenden macht; er ändert dadurch seinen eigentümlichen Charakter nicht, er verleugnet sein Naturell, seine Individualität dadurch nicht, und ist mit einem Fortepiano zu vergleichen, auf welchem ich in seinem natürlichen durch die Bauart erhaltenen Tone spiele. Die Passage, welche ich vortrage, zwingt mich durch ihre Komposition zwar das forte oder piano, dolce oder furioso zu beobachten, dieses geschieht aber, ohne daß ich mich der Mutation bediene, welche das Instrument besitzt, sondern es ist bloß der Übergang der Seele in die Finger, welche durch ihr Nachgeben, stärkeres oder schwächeres Aufdrücken und Berühren der Tasten, den Geist der Komposition in die Passage legen und dadurch die Empfindungen erregen, welche durch ihren Inhalt hervorgebracht werden können.195
Bei der künstlerischen Vorbereitung auf die Rezitation soll der Schauspieler also auch dazu imstande sein, den Inhalt des Werks »richtig« auszulegen, was seinerseits eine bereits vorhandene gute Ausbildung oder mindestens ein gutes Selbstbildungsvermögen voraussetzt. Durch eine »richtige« Deutung des Textsinns einerseits und durch eine geübte, zwar mit Eindruck eingesetzte und trotzdem mäßige Vortragsart andererseits, die Goethe mit dem Aufdrücken und Berühren der Tasten auf einem Fortepiano vergleicht, kann der Schauspieler auf den Zuschauer künstlerisch einwirken, sodass bei ihm Empfindungen erregt werden.
Ein ganz anderes künstlerisches Vorbereitungsverfahren schreibt Goethe der Deklamation zu. Verglichen wieder mit dem Fortepiano-Spieler, der sich dieses Mal »der Dämpfung und aller Mutationen [bedient], welche das Instrument besitzt«196, soll der Deklamierende dazu in der Lage sein, alle ihm zugänglichen Emotionsausprägungen auf die darzustellende Figur zu übertragen. Hier fällt erstmalig der Ausdruck sich versetzen, der solche Schauspielfertigkeiten bzw. Verkörperungsfähigkeiten voraussetzt, wie sie erst im 20. Jahrhundert unter Stanislawski in den Studios des Moskauer Künstlertheaters systematisch ausgearbeitet und praktiziert werden sollten. In der ersten Person schreibt Goethe, dass der Schauspieler sich bei der Deklamation in den emotionalen Zustand der Figur versetzen solle, wobei er dies nicht durch seine eigenen »Leidenschaften« veranschaulichen, sondern nur so tun solle, als ob er diesen emotionalen Zustand der Literaturfigur mitempfinden würde. Darin bestünde die Kunst der Deklamation:
Hier muß ich meinen angebornen Charakter verlassen, mein Naturell verleugnen und mich ganz in die Lage und Stimmung desjenigen versetzen, dessen Rolle ich deklamiere. Die Worte welche ich ausspreche müssen mit Energie und dem lebendigsten Ausdruck hervorgebracht werden, so daß ich jede leidenschaftliche Regung als wirklich gegenwärtig mit zu empfinden scheine.197
So schreibt Goethe dem Schauspieler vor, vor der Phase des Sich-in-die-Rolle-Versetzens seinen »angebornen Charakter [zu] verlassen« bzw. sein »Naturell [zu] verleugnen«, was sich mit den Schauspielverfahren des 20. Jahrhunderts bereits überlappt,198 aber aufgrund des Fehlens eines entsprechenden wissenschaftlichen Begriffssystems bzw. adäquaten Trainingsvokabulars konnten dazu damals noch keine konkreten Verfahren empfohlen werden.
Eine weitere Sparte des Schauspieltrainings, in der auf Emotionen geachtet werden soll, ist das Gebärdenspiel, über das in den Paragraphen 63 bis 65 der Regeln berichtet wird. Auch Goethe geht es dabei – wie Lessing und Engel – um die Auswahl der »schönen und richtigen Gebärden«199. Um bei der individuellen Übung »von der Deklamation nicht hingerissen« zu werden, »stelle [man] sich vor einen Spiegel und spreche dasjenige, was man zu deklamieren hat nur leise, oder vielmehr gar nicht, sondern denke sich nur die Worte«.200 Die Stimme wird mithin als ein starkes Wirkungsmittel dargestellt, das nicht nur auf den Zuschauer, sondern auch auf den Spieler selbst – und zwar während seiner Vorbereitungsphase – einen großen Einfluss auszuüben vermag. Unter dem Vorbehalt, dass die Stimme nicht eingesetzt wird, wird dem Akteur beim Training der Deklamation der Spiegel als ein Hilfsmedium für die Selektion der Gesten empfohlen. Der Spieler wählt dann die richtigen Gebärden – so die Annahme Goethes – mit kühlem Verstand aus, ohne sich durch interne (Gefühle) und externe (der Klang der Stimme) Störungsfaktoren abzulenken. Eine weitere Anweisung zur richtigen Auswahl der »passendsten Gesten« formuliert Goethe in Paragraph 65, in dem von der Pantomime die Rede ist. Der Schauspieler, insbesondere der Anfänger, soll versuchen, »seine Rolle, ohne sie zu rezitieren, einem andern bloß durch Pantomime verständlich zu machen«201. Pantomime sei somit neben der Selbstkorrektur vor dem Spiegel eines der wichtigsten Trainingsverfahren für den Schauspieler,202 das er beim »Haustraining« gebrauchen kann. In der öffentlichen Probe hingegen »sollte man sich nichts erlauben was nicht im Stücke vorkommen darf«203. Diese Aussage findet sich in Paragraph 68 der »Regeln«, d. h. in einem von lediglich sieben weiteren Paragraphen, in denen sich Goethe über die Probe äußert. Diese Paragraphen erinnern eher an die Verhaltensregeln oder sogar an die Sicherheitsmaßnahmen im Theatergebäude während der Proben und beziehen sich zum größten Teil auf das Kostüm und die Requisite, die die Schauspieler beim Probieren nicht hindern sollen, »die gehörigen Gebärden zu machen«:
§.66.
Um eine leichtere und anständigere Bewegung der Füße zu erwerben, probiere man niemals in Stiefeln.
§.67.
Der Schauspieler, besonders der jüngere, der Liebhaber- und andere leichte Rollen zu spielen hat, halte sich auf dem Theater ein Paar Pantoffeln, in denen er probiert und er wird sehr bald die guten Folgen davon bemerken.
[…]
§.69.
Die Frauenzimmer sollten ihre kleinen Beutel bei Seite legen.
§.70.
Kein Schauspieler sollte im Mantel probieren, sondern die Hände und Arme wie im Stücke frei haben. Denn der Mantel hindert ihn, nicht allein die gehörigen Gebärden zu machen, sondern zwingt ihn auch falsche anzunehmen, die er denn bei der Vorstellung unwillkürlich wiederholt.204
Aus diesen kurzen »Warnungen« hinsichtlich des Verhaltens während des Probens wird ersichtlich, dass die Probe am Ende des 18. bzw. Anfang des 19. Jahrhunderts tatsächlich keine »Funktion der Übung der theatralen Darstellung«205 besessen hat bzw. kein Standort des gemeinsamen kreativen Denkens und schöpferischen Handelns war. In der heutigen Terminologie würde man eine derartige Probenpraxis als eine Voraufführung bezeichnen, die aber ohne Zuschauer und unter strengster Disziplin durchgeführt wird. Goethe schreibt in seinen kargen Anmerkungen zur Theaterprobe praktisch nur über technische Angelegenheiten und verankert keine »Regieanweisungen« im heutigen Wortsinn. Gerade Regieanweisungen waren von Goethes Seite deswegen nicht denkbar, weil Goethe nicht Regisseur, sondern Direktor war und ihm als höherem Gesetz nicht die Funktion eines Regisseurs – also nicht das Vorantreiben des künstlerischen Prozesses im heutigen Sinn –, sondern eine »ordnungsstiftende Funktion im Probenszenario«206 zukam. Zwei weitere Goethe untergeordnete Positionen waren die von Friedrich Schiller und die des Regisseurs. Wie Matzke ausführt, »vermittelt [Schiller] zwischen Goethe und den Schauspielern« – »[ü]ber Vorträge erläutert er den historischen Kontext, erklärt Rollenkonzeptionen«.207 Und unmittelbar während der Proben verläuft die Kommunikation zwischen Schiller, Goethe und den Schauspielern über den Regisseur – den Vermittler, dessen Amt an den Hoftheatern keine künstlerische Funktion, sondern eine »überwachende« und »disziplinierende Position« hatte.208
So fragmentarisch sich Goethe mit dem Problem der emotionalen Wiedergabe und der Bedeutsamkeit der Probenfunktion auseinandersetzt (was aufgrund der erwähnten Besonderheiten und Gesetzmäßigkeiten des damaligen Bürgertheaters und der seinerzeit noch fehlenden wissenschaftlichen Grundlage zur Erforschung der menschlichen Psyche durchaus nachvollziehbar ist), so systematisch geht ein Jahrhundert später Stanislawski an das Problem der Verfahren, der Kontrolle, des Erlebens und des Verkörperns von Emotionen auf der Bühne heran. Stanislawskis »System« mit seinem engen Bezug auf die emotionale Sphäre im naturalistisch-realistischen Theater (eine Herangehensweise, für die Stanislawski später von seinen berühmtesten Schülern kritisiert wurde209) ist nur in Opposition zu den Emotionslehren und Postulaten seiner Schüler und Mitwirkenden zu betrachten: Stanislawskis Schauspiellehre war für viele nicht nur »Wiege« ihres künstlerischen Werdegangs (das bleibt unbestritten), sondern auch häufig der Grund dafür, ihre eigenen »Schauspielsysteme« zu schaffen, welche später nicht weniger populär als das von Stanislawski wurden.210
Worin der Unterschied zwischen Stanislawskis »System« und »Methoden« seiner berühmten Schüler lag, illustriert das Streitgespräch zwischen Stanislawski und Michail Čechov in einem Berliner Café am Kurfürstendamm 1928. (Čechov war seit 1928 im ausländischen Exil; im selben Jahr besuchte Stanislawski seinen Sohn in Badenweiler und traf Max Reinhardt in Berlin.) Wie Čechov in seinen Memoiren Leben und Begegnungen schreibt, ginge es den beiden Künstlern grundsätzlich um eine Frage, die – bei näherer Betrachtung – Theaterschaffende seit jeher zu beschäftigen pflegt, nämlich: »Sollen persönliche, unverarbeitete Gefühle des Schauspielers ausgeschlossen oder in die künstlerische Arbeit einbezogen werden?«211 Stanislawski (der Čechov selbst zu diesem Gespräch über sein entstehendes »System« einlud) bediente sich des Zentralbegriffs seiner Terminologie, den er ursprünglich – in Anlehnung an den französischen experimentellen Psychologen Théodule Ribot – das affektive Gedächtnis nannte und später in das Gedächtnis für Empfindungen bzw. emotionales Gedächtnis212 umbenannte. Beim emotionalen Gedächtnis geht es um »die Reproduktion, den Abruf von Empfindungen und Erlebnissen aus der persönlich-biographischen Sphäre des Schauspielers anhand der szenischen Situation der Rolle«213. In Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens wird Stanislawski später im Zentralkapitel unter dem Titel Emotionales Gedächtnis ein Beispiel anführen, das schon Ribot in seinem Werk Affektives Gedächtnis vorgebracht hatte:
Zwei Reisende waren auf einem Felsen von der Flut überrascht worden. Sie konnten sich retten und beschrieben später ihre Eindrücke. Der eine hatte jede seiner Handlungen behalten: wie, wohin, warum er gegangen, wo er abgestiegen war, wie er den Fuß gesetzt hatte, wie er gesprungen war. Der andere wußte davon fast gar nichts, sondern besann sich nur auf die Empfindungen, die er damals hatte: erst Begeisterung, dann Aufhorchen, Erschrecken, Hoffen, Zweifel, und schließlich war er in einen Zustand der Panik geraten. Diese Empfindungen sind es nun, die das emotionale Gedächtnis bewahrt.214
Was die konkreten Methoden der Aktivierung des emotionalen Gedächtnisses der Schauspieler anbelangt, so suchte Stanislawski dieses
stets mittelbar anzuregen, indem er [die Schauspieler] dazu anhielt, sich so logisch zu verhalten, wie es die von ihnen dargestellte Gestalt im entsprechenden Falle getan hätte. Dabei tauchen dann die Erinnerungen an frühere Erlebnisse ganz reflexmäßig auf, weil ja das psychische und das physische Element des Schaffensprozesses untrennbar miteinander verbunden sind.215
Um konkrete, das emotionale Gedächtnis anregende Mittel zu nennen, greifen wir wieder zur Originalschrift. Als wesentlichen Impulsgeber für das emotionale Gedächtnis bezeichnet Stanislawski »die äußere Umgebung auf der Bühne und die Stimmung, die sie auflöst«216. Nach einigen Passagen mit weiteren Beispielen führt er aus, dass
sich […] die Schauspieler [einerseits] die Arrangements217 im Hinblick auf die zu erlebende Stimmung, auf die auszuführende Tätigkeit, auf ihre Aufgaben [suchen]; andererseits schaffen Stimmung, Aufgabe, Tätigkeit von sich aus die geeigneten Arrangements für uns. Sie gehören also auch zu den Auslösern unseres emotionalen Gedächtnisses.218
Den »umgekehrten Weg« – »vom Gefühl zum Auslöser«219 – schlägt Stanislawski auch als eine der Möglichkeiten vor, das emotionale Gedächtnis bei der Gestaltung der Rollenfigur zu verwenden. Dabei führt er zuerst ein Beispiel aus seiner eigenen Schauspielerfahrung an, als er den Monolog über den Menschen aus der Rolle des Satin von Maxim Gorkis Nachtasyl vortragen musste – eine Herausforderung, die er erst bei der vierten Aufführung meisterte. Für seine Schüler analysiert er die Ereignisse, die dem Abend dieser Aufführung vorausgingen. Er kommt zu dem Schluss, dass ihn diese Ereignisse von seinen Gedanken an den Monolog in dem Maß ablenken konnten, dass ihn »an diesem Abend der Erfolg nicht interessierte, daß [er] vor dem Auftritt nicht darum bangte, daß [er] nicht an die Zuschauer dachte, daß [ihm] der Ausgang der Vorstellung und ebenso [s]eines Spiels gleichgültig war«220. Stanislawski schlussfolgert, dass man
nicht an das Gefühl denken [soll], sondern sich nur um seine Quellen kümmern, um die Bedingungen, die das Erleben ausgelöst haben. Sie sind der Boden, der begossen und gedüngt werden muß, auf dem das Gefühl wachsen kann. Die Natur erschafft indessen das neue Gefühl, das dem früheren entspricht. Darum beginnen Sie niemals mit dem Resultat. Es ergibt sich nicht von selbst, sondern ist die logische Folge des Vorausgegangenen.221
Auch beim Treffen mit Michail Čechov in Berlin suchte Stanislawski Čechov darin zu überzeugen, »daß die Konzentration auf Erinnerungen an das persönliche, private Leben den Schauspieler in die lebendigkreative Stimmung versetzt, die er auf der Bühne braucht«222. Čechov hingegen war tief davon überzeugt, dass »der Schauspieler um so besser seine Gestalten [erschafft], je weniger er sein persönliches Erleben ins Spiel bringt«223. Čechov setzte auf das Imaginative des Schauspielers, auf das Vermögen, die darzustellende Gestalt zunächst »in der Phantasie« zu erschauen. Deswegen soll der Schauspieler zunächst
sich selbst vergessen und sich [z. B.] von Othello in dessen Milieu ein Bild machen. Imaginativ beobachtet er Othello – nicht sich selbst […] – sozusagen von außen und empfindet dadurch dasselbe wie Othello. In diesem Falle sind seine Gefühle rein und transformiert und verstricken ihn nicht mehr im Persönlichen.224
Zwei ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die Arbeit des Schauspielers an der Rolle – die Auslösung persönlicher »affektiver Erinnerungen« einerseits sowie die imaginative Beobachtung der darzustellenden Figur andererseits – wurden in einem nur skizzenweise notierten Gespräch verankert, das aber das Wesentliche der Schauspiellehrwerke widerspiegelte, die erst Jahrzehnte später herausgebracht wurden und die Lehrpläne der Schauspielschulen bis in das 21. Jahrhundert hinein bestimmen. Stanislawski ging es in seinem grundlegenden Werk um die Entwicklung eines allgemein gebräuchlichen Schauspielsystems. An seinem »System«, wie er es selbst nannte, arbeitete er sein ganzes Leben lang und baute es bis zu seinem Tod immer wieder aus. Der Begriff Stanislawski-System hat sich zwar tief in der Schauspielgeschichte eingebürgert, bedeutet »allerdings nicht ein geschlossenes System, sondern eine progressiv sich entwickelnde Arbeitsmethode, die auf die innere Wahrhaftigkeit der Darstellung zielte und neben der ›Logik der Gefühle‹ eine ›Logik der Handlung‹ forderte«225. Nicht zuletzt war diese sich ständig entwickelnde Arbeitsmethode Grund für den Streit und die Missverständnisse zwischen dem Regisseur und den Schauspielern während der Proben. Michail Čechov berichtet über Stanislawskis Strenge im Lauf der Proben zu Nikolai Gogols Revisor, bei dem Čechov die Rolle des Chlestakow spielte:
Es gab viele Proben, und die meisten davon waren eine Quälerei. Stanislavskij war ein anspruchsvoller Regisseur. Bisweilen übersah er den Unterschied zwischen Regiearbeit und Unterricht und behandelte die Schauspieler wie schlechte Schüler. […] Eine Schwierigkeit bei der Arbeit mit Stanislavskij bestand noch darin, daß er bei der Entwicklung seines »Systems« dieses ständig änderte und dabei vergaß, was er erst gestern gesagt hatte. »Welcher Idiot hat euch denn das erzählt?«, sagte er manchmal in seinem Unmut darüber, was er uns noch tags zuvor selber beigebracht hatte.226
Diesem Bericht zufolge gab es für Stanislawski tatsächlich keinen Unterschied zwischen dem Unterricht mit den Schauspielschülern und den Proben mit professionellen (oft sehr angesehenen) Bühnenkünstlern. Er entwickelte sein »System« permanent weiter, was natürlich die Praxis des Spielens und Probierens sehr erschwerte, weitere unzählige Fragen und Präzisierungen erforderlich machte und in der Folge seine Schüler zur Schaffung ihrer eigenen konkreteren »Methoden« und Arbeitsweisen aufforderte (um nicht zu sagen: zwang). Was Stanislawski beispielsweise über den Einsatz der Gesten beim Spiel nur theoretisch formuliert,227 sondert Čechov in seinem Werk Die Kunst des Schauspielers in eine einzelne Probenanweisung heraus, betitelt sie als Psychologische Gebärde und versieht diese mit detaillierten Beschreibungen, Anwendungsbeispielen, Skizzen und entsprechenden Übungen. Die psychologische Gebärde ist ein Probeverfahren, das dem Schauspieler als Hilfsmittel bei der Vorbereitung auf die Rolle dienen kann. Was die psychologische Gebärde eigentlich ist, schildert Čechov anhand von Beispielen aus dem Alltag:
Im Alltag machen wir von den allgemeinen Gebärden keinen Gebrauch, es sei denn in Zuständen außergewöhnlicher Erregung oder, wenn wir ein besonderes Sprechpathos brauchen. […] Und doch leben alle diese Gebärden in jedem von uns als die Urbilder unserer physischen Alltagsgestik. Sie stehen hinter ihnen (wie hinter den Worten unserer Sprache) und verleihen ihnen Sinn, Kraft und Ausdruck. In ihnen gebärdet sich unsichtbar unsere Seele. Das sind PSYCHOLOGISCHE GEBÄRDEN.228
Der Schauspieler kann das Verfahren der psychologischen Gebärde sowohl für die gesamte Rolle als auch für Einzelmomente in der Rolle, für einzelne Szenen, für die »Atmosphärenpartituren« und für die Sprache anwenden.229 Čechov unterstreicht aber deutlich, dass die psychologische Gebärde ausschließlich beim (Selbst-)Probieren zu verwenden ist und in der fertigen Produktion sich dem Zuschauer nicht offenbaren darf:
[Die PG] hat ihren Zweck erfüllt, sobald sie das für eine bestimmte Gestalt von Ihnen gefragte Fühlen und Wollen aktiviert hat. Die Gebärden, die Sie für das Spiel auf der Bühne brauchen, müssen für die von Ihnen dargestellte Person charakteristisch sein und der Epoche, dem Stil des Autors und der Inszenierung usw. entsprechen. Die PG ist ein Vorbereitungsverfahren und muß dem Publikum verborgen bleiben.230
Stanislawskis »System« hingegen enthält im zweiten Teil seines Werks Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Verkörperns im Kapitel Selbstbeherrschung und Vollendung einerseits beispielreiche und bildhafte Ausführungen darüber, dass »jeder Schauspieler zunächst einmal lernen [muß], seine Gesten so weit im Zaum zu halten, daß nicht sie ihn beherrschen, sondern er sie«231. Andererseits hat Stanislawski nach seinem Tod viele Ansätze bzw. Entwürfe von Übungen und Etüden hinterlassen, die in einen einzelnen Band (dem sogenannten Aufgabenbuch232) eingehen sollten. Die Methodenbeschreibung seines Schülers Michail Čechov sowie die Übungen und Aufgaben, die er in seinem Schauspiellehrbuch formuliert hat, sind überschaubarer und praktisch umsetzbarer als die im »System« von Stanislawski. Aber das bedeutet keineswegs, dass die eine »Methode« richtig und das andere »System« falsch ist. Im Gegenteil: Der Schüler hat nur das überarbeitet, präzisiert, ausgebaut und weiter erforscht, was ihm der Lehrer seinerzeit beigebracht hatte. Und dafür war Čechov Stanislawski stets dankbar. Jeder Schauspieler und Regisseur – sei er noch im Studium oder bereits jahrelang im Beruf – vermag in Stanislawskis umfangreichem Werk Themen und Probleme zu finden, mit denen er in diesem Moment seines Berufslebens konfrontiert wird. Stanislawskis Postulate regen zum permanenten vertieften Denken an. Außerdem regt das »System« Schauspieler und Regisseure immer wieder zur weiteren praktischen Forschung an, weil dieses System (wie oben erwähnt) nicht geschlossen ist, sondern sich in permanenter Entwicklung befindet. Deswegen ist es kein Wunder, dass auf der Grundlage des »Stanislawski-Systems« weitere Schauspiellehren und -arbeitsweisen entstanden sind bzw. auch in Zukunft noch entstehen werden.
So gilt das künstlerische Schaffen Jewgeni Wachtangows, eines Schülers Stanislawskis, der sich als Leiters der Ersten und später auch der Dritten Studiobühne233 des MChAT einen Namen machen konnte,234 als ein Paradebeispiel der einzigartigen Entwicklung einer Arbeitsweise, die, ursprünglich aus dem »Stanislawski-System« hervorgegangen, eine eigene Richtung annehmen und auf der Basis dieser Richtung ganze Schauspielergenerationen beeinflussen sollte. Das Phänomen Wachtangow für die Theatergeschichte besteht darin, dass er seine – schon posthum weltbekannt gewordenen – Inszenierungen erst einige Monate vor seinem Tod geschaffen hatte, als er todkrank war und unter unerträglichen Schmerzen litt, und dass er – im Gegensatz zu Stanislawski oder Čechov – keine methodologischen Schriften hinterlassen hat. Sein ganzes Lebenswerk ist ausschließlich in Form von Notizen seiner Schüler, Schauspieler und anderer Zeitgenossen, Probenprotokollen, Briefwechseln und Zeitungsartikeln über seine Inszenierungen überliefert. Sein Schaffen bzw. seine geniale »Begabung als Regisseur kennt man aus seinen Inszenierungen«235, wie Michail Čechov über seinen guten Freund Wachtangow begeistert schrieb. Und tatsächlich sind es Wachtangows Inszenierungen, genauer gesagt, die »geniale[.] Art, wie er mit den Schauspielern während des Inszenierungsprozesses zusammenarbeitete«236, die unwiederholbare Beiträge zur Entwicklung der Weltregiekunst geleistet haben. Denn das künstlerische Prinzip Wachtangows bestand darin, »zu jeder Inszenierung, an der er arbeitete, eine einzelne Studiobühne zu schaffen«237, wie sein Schüler und Schauspieler Leonid Schichmatov schreibt. »Eine Studiobühne zu gründen bedeutete den Unterricht so zu organisieren, um die Form der Inszenierung und der Rolle zu ergründen und zu beherrschen.«238 Gerade in der »Gründung der Studiobühne um die Inszenierung herum« bestand Wachtangows wahres Talent als Regisseur. Das ist aus dem Nachlass seiner Zeitgenossen bekannt. Z. B. weist Michail Čechov, der mit Wachtangow viel zusammengearbeitet hatte, mehrmals auf die geniale Fähigkeit Wachtangows hin, »dem Schauspieler zu demonstrieren, worin sich die Wesenszüge einer Rolle abzeichnen«.239 In der erstaunlichen und vollkommenen Kunst des Demonstrierens bestand die Eigenart der Wachtangow’schen Arbeitssprache in den Proben:
Dank dieser erstaunlichen Fähigkeit Vachtangovs wurde auf seinen Proben sehr wenig gesprochen. Die ganze Arbeit bestand aus Demonstrationen und Illustrationen zu Figuren. [Dabei gab er keine Gesamtdarstellung der Figur, spielte dem Schauspieler nicht die Rolle vor, sondern zeigte ihm – spielte vielmehr – ein Schema, ein Muster, eine Art Entwurf der Rolle. Bei der Inszenierung von A. Strindbergs Erik XIV. illustrierte er mir auf diese Weise das Muster des Erik für einen ganzen Akt – und das in höchstens zwei Minuten. Nach dieser Demonstration wurde mir der Akt in sämtlichen Einzelheiten klar, obwohl Vachtangov auf diese gar nicht eingegangen war.] Es war ihm völlig klar, daß der Schauspieler, der viel über seine Rolle redet, sich dadurch im Grunde drückt und den Zeitpunkt der eigentlichen Probenarbeit hinauszuzögern sucht. Schauspieler und Regisseure müssen eine besondere Arbeitssprache entwickeln. Sie dürfen während des Arbeitsprozesses nicht miteinander diskutieren. Sie müssen lernen, ihre Gedanken und Gefühle bildlich zu verkörpern und diese Bilder untereinander auszutauschen.240
Gerade in der Fähigkeit, »Gedanken und Gefühle bildlich zu verkörpern und diese Bilder untereinander auszutauschen«, bestand Wachtangows Arbeitssprache, die so schwierig zu protokollieren war. Das bestätigt auch sein Schüler Nikolai Gortschakow, der Notizen bei der ersten Diskussion über Wachtangows letzte und weltweit bekannteste Inszenierung von Carlo Gozzis Prinzessin Turandot zu machen suchte:
Wenn ich jetzt diese brüchigen Zeilen nachlese und mich daran zu erinnern versuche, was diese in Klammern stehenden Wörter bedeuten, bedauere ich sehr, dass ich damals zu faul war, Evgenij Bogrationovičs Gedankenlauf am Abend des ersten Gesprächs über Turandot zu notieren. Aber war es überhaupt machbar? Jeden seinen Gedanken, jedes Wort und jede Vision – seine Phantasie – bekräftigte er gleich mit einer eigenartigen Improvisation, wobei er sich in die Helden von Schiller und Gozzi versetzte, die Verfahren des improvisierten Spiels demonstrierte oder Beispiele aus seiner Arbeit an der Ersten Studiobühne des MChAT anführte.241
Über die Form der Inszenierung pflegte Wachtangow zu sagen, dass jedes Stück eine einzigartige, zum bestimmten Zeitpunkt entstandene, durch ein bestimmtes Ensemble aufgeführte und nur diesem Stück eigene Form fordere.242 Die Form der Inszenierung Prinzessin Turandot suchte er »keinesfalls duch psychologische Rechtfertigungen«, sondern nur durch eine »theatrale Rechtfertigung«243. Laut den von seinen Schauspielern überlieferten Notizen sprach Wachtangow über das Recht, die
Aufführung als Vorstellung zu spielen. Wir haben ein Recht darauf, weil wir – wenn wir nur wollen – auch reines »Erleben« einsetzen können. Dazu beherrschen wir Methoden und Verfahren der Stanislawski-Schule. Wer imstande ist, die Rolle zu »erleben«, hat auch das Recht, nach einer theatralen Darstellungsform zu suchen.244
Allein in dieser »theatralen und nicht psychologischen Rechtfertigung« der Form liegt der Unterschied zwischen den Herangehensweisen von Stanislawski und Wachtangow. Vermag Wachtangow noch die Terminologie von Stanislawski zu verwenden, leitet er diese in eine ganz andere – »seine« – Richtung: Erstmalig lässt er seine Schauspieler in Turandot die Improvisation spielen. Die Schauspieler sollten nicht die Figuren des Stücks selbst spielen, sondern italienische Akteure der Commedia dell’arte, die diese Rollen verkörpern. Solch eine schwierige, experimentelle Darstellungsidee forderte dementsprechend auch eine spezifische Arbeitsmethode, Proben- und Darstellungsweise. Stanislawskis »naturalistischen« Inszenierungen glich sie in keinerlei Zügen, sondern stand eher in Opposition zu ihnen, genauso wie seine Darstellungsmethode der Gefühle auf der Bühne. Das Gefühl entsteht nicht aus »emotionalen Erinnerungen«, wie Stanislawski lehrte. Das Gefühl entsteht nach Wachtangow aus der Handlung. Es sei unmöglich, die Gefühle (Trauer, Freude, Kummer usw.) und ihren äußeren Ausdruck (das Weinen, das Lachen usw.) zu spielen. Das Gefühl auf der Bühne sei also das Resultat der Handlung. Wenn man über das Gefühl als Resultat der Handlung spreche, heißt dies nicht, dass das Gefühl nach der Handlung oder am Ende dieser Handlung entsteht. Das Gefühl entstehe während der Handlung. Der Prozess der Handlung sei also gleichzeitig der Prozess des Fühlens.245 Und Wachtangows eigene Spielart verriet viel über diese Position. Wsewolod Meyerhold fiel die Wachtangow’sche Spielart gleich auf, als er ihn im Ersten MChAT-Studio in Charles Dickens’ Das Heimchen am Herd sah. Damals kannten beide Künstler einander noch nicht persönlich. Wachtangow spielte die Rolle des Tackleton, des bösartigen Spielzeugverkäufers. Bemerkenswert ist, dass auch Michail Čechov an diesem Stück beteiligt war: Er spielte den armen Puppenmacher Caleb Plummer. Aber Meyerhold, der »die naturalistische Auffassung, in der die Dickens’sche Erzählung inszeniert wurde, ablehnte«246, hat nicht die Spielweise von Čechov, sondern nur die von Wachtangow bemerkt und diese positiv eingeschätzt: »Dieser Schauspieler steht näher zu uns als zu Stanislawski. […] Er ist der Einzige, der in dieser Aufführung richtig spielt.«247 Wachtangows Schüler Boris Zachawa bemerkt die Weise, wie sich Meyerhold beim ersten persönlichen Treffen mit Wachtangow (der schon als Regisseur tätig war) über seine Spielart in Heimchen äußerte: »Die Präzision des Spiels, die groteske Eingeschliffenheit der Gestalt, die ausdrucksvolle Plastizität der Bewegungen – das kennzeichnete Wachtangows Darstellungsweise, dadurch stach er im Vergleich zu den anderen Schauspielern heraus.«248 Dieser Äußerung zufolge lässt sich darauf schließen, dass die »ausdrucksvolle Plastizität der Bewegungen«, diese äußere Handlung, gleichzeitig auch die innere Emotion Wachtangow’scher Verkörperung reflektierte. Auch Wachtangows Notizen, in denen er sich über Meyerholds Werk und dessen Talent als Regisseur äußert, sind erhalten geblieben. In seinem Tagebuch schreibt er am 26. März 1921:
Ich denke an Meyerhold. Was für ein genialer Regisseur, der Größte von den bisher Gegebenen! Jede seiner Inszenierungen ist das neue Theater an sich. Jede seiner Inszenierungen könnte eine ganz eigene Richtung bilden. Definitiv ist Stanislawski als Regisseur kleiner als Meyerhold. Stanislawski hat kein Gesicht. Alle Inszenierungen von Stanislawski sind banal. […] Alle Naturalisten gleichen einander, und die Inszenierung des einen kann man mit der Inszenierung des anderen verwechseln. Meyerhold ist einzigartig. In jenen Stücken, in denen er, die wahre Theatralität spürend, sich nicht auf die Autorität der Bücher stützt, wo er intuitiv und nicht anhand der historischen Rekonstruktion sowie der Rekonstruktion der theatralen Form diese Formen bei sich selbst sucht – ist er mit Stanislawski nicht zu vergleichen – er ist fast genial, ich denke sogar, dass er genial ist. […] Sowohl Nemirowič [Wladimir Iwanovič Nemirowič-Dančenko] als auch Stanislawski kennen, dank ihrer riesengroßen Erfahrung, die Natur des Schauspielers. Meyerhold kennt sie gar nicht. Meyerhold ist nicht imstande, im Schauspieler die gesuchte Emotion, den gewünschten Rhythmus, die nötige Theatralität auszulösen. Das können Nemirowič und Stanislawski. Genauer gesagt, Nemirowič ist nur imstande, sich mit der Psychologie der Rolle und des Stücks auseinanderzusetzen sowie beim Akteur das eine oder das andere Erleben auszulösen. Und Stanislawski, der der Psychologie nicht gerade mächtig ist, baut sie intuitiv auf (manchmal viel erhabener und feiner als Nemirowič). Er ist mit der Natur des Schauspielers aufs Engste vertraut: Er kennt ihn von Kopf bis Fuß, vom Darm bis zur Haut, vom Gedanken bis zum Geist.249
Obgleich Meyerhold nach Wachtangows Einschätzung nicht imstande war, im Schauspieler die nötigen Emotionen auszulösen, schreibt er ihm die Zukunft des Theaters zu: »Alle Theater der nahen Zukunft werden genau so aufgebaut, wie Meyerhold es längst gespürt hatte.«250 Tatsächlich war Meyerhold nicht derjenige Theaterpraktiker, dem ein grundlegender Beitrag zur Emotionsforschung in der Schauspielkunst zugeschrieben wird. Aber Tatsache ist, dass seine Schule – die von ihm erfundene Richtung der »Biomechanik«, die er ursprünglich als Bewegungstraining mit Fokus auf die Präzision der Geste und auf den Rhythmus entdeckte und die er bis zu seinem Tod ebenfalls in Bezug auf den Denkprozess und das Sprechen weiterentwickelte – Grundlage des Schauspiel- und Regietrainings sogar an zeitgenössischen Schauspielschulen ist.251 Meyerhold selbst behauptete, dass es die »Eingeschliffenheit [der Geste]« sei, die »die nötige Reaktion [im Schauspieler] hervorrufen« werde, und dass diese Eingeschliffenheit nur aufgrund einer »präzisen Spieltechnik« zu erreichen sei. In einem Referat vom 1. Januar 1925 liefert er dazu ein Beispiel aus seiner eigenen Regiepraxis:
Manche Leute beschuldigen uns, uns fehle jegliche Psychologie, und einige von uns sind beunruhigt, haben Angst vor diesem Wort. Soweit wir uns auf die objektive Psychologie stützen, haben wir selbstverständlich Psychologie, aber wir lassen uns nicht von »innerem Erleben« leiten, sondern vom Glauben an die präzise Spieltechnik. Als ich Sinaida Raich die Szene der Stefka aus dem dritten Akt vorspielte, haben manche vielleicht bemerkt, daß mir die Augen feucht wurden, obzwar ich Ihnen versichern kann, daß Stefkas Gefühle mit den meinen auf gar keinen Fall identisch sind. Ich habe einfach beim Zeigen eine Haltung eingenommen, die bei meiner Eingeschliffenheit die nötige Reaktion hervorrufen mußte; die Nervenstränge, die den bewußten Muskel regieren, wurden betroffen, und dieser Muskel, der die Tränen fließen macht, ließ sie denn auch fließen. […] Dank meines Berufs habe ich riesige Erfahrungen, ich habe die Menschen studiert – dabei haben die Schauspieler mir sehr geholfen […] – ich habe mich also trainiert, so daß, was immer ich auch vorzeige, gelingt. Einfach, weil ich durch lange Erfahrung meinen Apparat vorzüglich trainiert habe.252
Für die Notwendigkeit eines raffinierten Trainingssystems für die Schauspieler plädiert er fünf Jahre später auch in einem anderen Referat über Die schöpferische Methode des Meyerhold-Theaters. Hier sondert er bereits drei unterschiedliche Trainingsstufen ab, die sich nicht mehr allein auf Bewegung, Geste und Rhythmus (reine »Biomechanik«) beschränken, sondern auch auf das Training des Denkens und des Sprechens erweitert werden. Das ideale Theater ist für Meyerhold demgemäß eine »wissenschaftliche Forschungsinstitution mit wirklichen Laboratorien«:
Ja, anfangs war es nötig, die Muskeln zu straffen, das Knochengerüst richtig einzusetzen, rhythmische Bewegungen zu erlernen, den Kopf in der gewünschten Art zu drehen – und dann kommt der Augenblick, wo wir sagen: ›Und warum gehst du ohne was im Kopf herum, Kollege, warum denkst Du nicht?‹ Das Sprechen muß auf einer dritten Stufe auftauchen: Bewegung – Gedanke – Wort. Zuerst muß akrobatisch oder biomechanisch trainiert werden, damit der Darsteller in einem gut gelüfteten Raum seine Muskeln spielen lassen, richtig atmen und brüllen lernen kann, mit Emotionen, wie das Kleinkind schreit. Dann schicken wir ihn in den nächsten Raum, wo er bereits einige Ausdrucksmittel beherrschen lernt, wie sie der Schauspieler braucht. Gut, ich gebe Ihnen ein Wort – aber können Sie in dieses Wort Gedanken eindringen lassen? [V]erstehen Sie, Ihr bewußtes Denken aufzubauen, sich der gesamten Situation anzupassen, die Ihnen der dramatische Stoff vorgibt, sind Sie imstande, alle Nuancen zu überblicken? Auch das gehört zum Training. […] Training ist nötig – Training der Bewegung, des Denkens, des Sprechens. Eine Riesenarbeit ist das, der nur ein spezielles Theater gewachsen ist, ein Theater, das als wissenschaftliche Forschungsinstitution gesehen werden muß, mit wirklichen Laboratorien, so eingerichtet, daß diese Arbeit vollbracht werden kann.253
Nach Meyerholds Vorstellung sollten im idealen Theater bzw. im speziellen »Theater-Laboratorium« die auf verschiedenen Trainingsstufen eingeübten Muskeln, Ausdrucksmittel, Reaktions- und Sprechtechniken den Schauspieler von jeglichem Einsatz persönlicher Emotionen während des Spiels befreien. Ohne seine privaten Emotionen ins Spiel zu bringen, wird der Berufsschauspieler zu einer allmächtigen »Maschine«, die ihre Reflexe so gut entwickelt hat, dass sie fähig ist, auf eigenen Wunsch zu erröten, zu erblassen oder zu weinen254 (was gerade für die oben erwähnten Theatertheoretiker wie J. J. Engel Ende des 18. Jahrhunderts noch so gut wie unmöglich schien255).
Einer der bedeutendsten deutschen Regisseure des 20. Jahrhunderts, Bertolt Brecht, sah den persönlichen Emotionseinsatz (»ein persönliches Hineingehen«) der Schauspieler gar als eine Gefahr für die innere Entwicklung der geprobten Szene. In verschiedenen Jahren seiner Regietätigkeit äußerte er sich vorbeugend und gar warnend über die Einbringung privater Emotionen vonseiten der Schauspieler. So beschreibt Brecht in seiner Schrift Über den Beruf des Schauspielers (zwischen 1935 und 1941) über den Aspekt des Rollenstudiums eine durchaus oft vorkommende Spielart unter den Schauspielern, die sich auf deren Unwillen bezieht, (auf den ersten Blick) einfachste Griffe für ihre Rollen beim »gutgelaunten Techniker« oder bei »exakten Chauffeuren« zu beobachten. Stattdessen »kann dann eine ersatzweise private Steigerung, ein persönliches Hineingehen des Schauspielers diesen selbst, aber niemals die Szene retten«256. Weiter heißt es:
Das persönliche Hineingehen, die Investierung von privatem Temperament als Ersatz gefährdet beinahe immer die gedankliche Struktur der Szene. Es macht jedes Verhalten nur allzu begreiflich, macht also jedes Staunen darüber unmöglich. Das ist der Grund, warum neuere Dramen oft gut wegkommen, wenn sie von widerspenstigen Schauspielern gespielt werden, die alle ihre Repliken für falsch halten. Ganz selten gelingt es bei Aufführungen in unserer Zeit, jene durchschlagenden Wirkungen zu erreichen, die oft bei Proben entstehen, wenn die Schauspieler unlustig oder müde sind.257
Der Einsatz von privaten Emotionen durch den Schauspieler beraubt somit den Zuschauer (wie den Schauspieler selbst!) jedweden Staunens über das Verhalten der Figuren. Und das Staunen ist für den Schauspieler laut Brecht die einzig mögliche Einstellung, Interesse am Vorgespielten zu erwecken und zu behalten:
Seine [des Schauspielers] gestische Einstellung zur Welt des Dichters ist die des Staunens, und diese gestische Einstellung ist es auch, die er auf die Zuschauer übertragen muß.
[…]
Es ist dem Schauspieler erlaubt, die Haltung des Staunens einzunehmen gegenüber dem Getriebe des Stückes, aber auch gegenüber seiner Figur (die er zu spielen hat), ja sogar den Wörtern, die er zu sprechen bekommen hat. Staunend zeigt er das Anvertraute. Gleichsam selber widersprechend spricht er.258
Beim Aufbau seiner Kunstfigur soll der Schauspieler permanent Fragen an sich und an die Umgebung stellen, er soll also in steter Unsicherheit, gar in Zweifel gegenüber seiner Figur verweilen, sich selbst widersprechen usw., denn nur auf solche Weise vermag er über das Gewöhnlichste zu staunen und mit seinem eigenen Staunen auch den Zuschauer »anzustecken«. Solch eine »staunende« Spielweise ist es gerade, die den Eindruck von solchem Spiel »woanders und zu anderer Zeit«259 auszulösen vermag. Diesen Eindruck nennt Brecht den Nachschlag.260 Deswegen rät er dem Schauspieler, dem Zuschauer »die Gelegenheit zu einem Erlebnis«261, nichtzu einer Erkenntnis zu verschaffen:
Zwar kann der Schauspieler dadurch »begriffen« werden, daß er, indem er selber Trauer empfindet, Trauer erzeugt, aber dann entlädt er nur die Einbildungskraft des Zuschauers, statt seinen Kenntnissen etwas hinzuzufügen, was mehr ist. Man könnte sagen, der Gefühle Erlebende vermehre doch seine Kenntnis von sich selbst, aber eben das ist nicht gut: Mag er lieber lernen, sich zu vernachlässigen, was seine Gefühle anlangt, und die anderer erfahren! Sogar seine eigenen erfährt er besser, wenn sie ihm lediglich vorgehalten werden wie die eines anderen! Deshalb soll der Schauspieler seine Wirkungen technisch herstellen, das heißt, das zeigen, woran erkannt wird, was nicht unbedingt zusammenfällt mit dem, was sich lediglich […] abspielt. […] So zeigt er zum Beispiel, will er das Erschrecken einer Person zeigen, besser deren Bemühung, diesen Schrecken zu überwinden oder zu verstecken. Ein Schauspieler, der so verfährt, behandelt den Zuschauer, anstatt nur »zu sein«.262
So vermag ein guter Schauspieler seine eigenen Gefühle nur dann zu realisieren (und so Kenntnisse über Gefühle allgemein zu erwerben), wenn er diese beim Spielen vernachlässigt. Auch den Zuschauer würde er dabei nicht im Stich lassen, weil er dadurch seine Imaginationskraft ankurbeln würde. (Denn der Zuschauer würde dann staunend fragen: »Warum machst du es denn so?«, anstatt nur gähnend zu artikulieren »Ach, so meinst du es …«). Und noch profitabler wäre es für den Schauspieler vom professionellen Standpunkt aus, wenn ihm seine eigenen Gefühle »lediglich vorgehalten werden«263, d. h., dass der Schauspieler die Gelegenheit bekommt, diese von der Seite her zu beobachten.264 In diesem Zusammenhang ist es erwähnungswert, dass Brecht als Spielleiter während der Proben seinen Schauspielern vieles selbst vorzumachen pflegte:
B. machte viel vor, jedoch nur ganz kleine Stückchen, und er brach mitten drin ab, um nur ja nichts Fertiges zu geben. [Daran gleicht seine Arbeitsweise in den Proben der von Jewgeni Wachtangow, der seinen Schauspielern auch oft nur noch die Skizze der Figur zu demonstrieren pflegte, ohne die ganze Gestalt für den Schauspieler zu verkörpern. – V. V.] Und er ahmte dabei immer den Schauspieler nach, dem er vormachte, freilich ohne sich zu verstellen. Seine Haltung dabei war: Leute dieser Art tun derlei oft in solcher Weise.265
Anstelle von langen Diskussionsrunden bevorzugte Brecht während der Proben einen gleichsam experimentellen Habitus: »Sprechen Sie nicht darüber, machen Sie es!«, »Wozu die Gründe sagen, zeigen Sie den Vorschlag!«266 Die Prozesse des Zeigens/Vormachens und des Beobachtens hielt Brecht also für die wichtigsten in seinen Proben. Zu jedem seiner Stücke überlieferte er seine Kommentare, Erläuterungen, Hinweise und Bemerkungen,267 denn jedes war – wie auch jeder seiner Probenprozesse – mit Meyerhold gesprochen ein Laboratorium per se.
Der hier angeführte Überblick über die aus den Emotionstheorien abgeleiteten Grundsätze für die Darstellung von Emotionen hat gezeigt, wie sich die Ansätze, beginnend von den mittelalterlichen Laienbühnen über die Barockbühne und den Umbruch in der Schauspielerausbildung bei Stanislawski bis hin zur deutschen Theateravantgarde in der Mitte des 20. Jahrhunderts, unterschieden bzw. wie diese sich evolutioniert haben. Neben der selbst in den Wandertruppen verwendeten Methode des Studierens der Haltungen und Gesten aus Gemälden haben Theateraufklärer von Lang bis Goethe das Beherrschen der Kunst der Gebärde in der einen oder anderen Form nur durch Selbststudium proklamiert (sei es über die Nachahmung der Natur wie bei Ekhof gewesen, über die Beobachtung der Studienmuster, also der »Menschen ohne Sitten«, wie Engel es vorschlug, oder über Goethes Aufforderung an die ersten Berufsschauspieler in seinem Hoftheater, jeden freien Moment des Lebens zur Erweiterung seines künstlerischen Könnens zu nutzen). Die ersten (bereits erwähnten) wissenschaftlichen Ansätze über die Untersuchung der Emotionen für das Theater gehen von der körperlichen Geste aus zu den »Modifikationen der Seele« (Lessing) oder »Trieben und Leidenschaften der Seele« (Engel). Bei Goethe tritt eher die Disziplin des Schauspielers in den Vordergrund (diesem Ziel dienen Regeln für Schauspieler). Aber an keiner Stelle ist seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Art und Weise zu verfolgen, wie die Schauspieler am Weimarer Hoftheater – z. B. bei der »künstlerischen Vorbereitung« der Textrolle, für die Goethe »die Empfindung und das Gefühl« zuließ und sogar forderte – den äußerlichen Ausdruck dieser Empfindung beim Selbststudium trainieren sollen. (An keiner Stelle, ausgenommen der Fall mit den Lehrlingen, als Goethe, der Leiter einer angesehenen Hofbühne, kurz bevor die Regeln niedergeschrieben worden waren, sich »die Kunst aus ihren einfachsten Elementen entwickelte und an den Fortschritten beider Lehrlinge [si]ch nach und nach emporstudierte«.) Erst mit Stanislawskis Theorie (die auf seiner mehrjährigen Praxis basiert) des »emotionalen Gedächtnisses«, die besagt, dass bei der Vorbereitung auf die Rolle persönliche »affektive Erinnerungen« ausgelöst werden sollen, beginnt eine grundlegende und ansatzreiche Phase der Emotionsforschung im Theater. Seine besten Schüler Čechov und Wachtangow leiteten aus dem »System« ihre eigenen Lehren ab bzw. jeder von ihnen konnte auf der Basis von diesen ihren Lehren je ein neues – »ihr« – Theater spielen bzw. es ihren Nachfolgern überliefern. Imaginative Beobachtung des Verhaltens der Kunstfigur, begleitet von der Suche nach der Psychologischen Geste (PG) der Figur, waren nach Čechov die Methoden, um »das für eine bestimmte Gestalt von Ihnen gefragte Fühlen und Wollen« zu aktivieren. Nicht weit von dieser Ansicht entfernt ist auch die von Wachtangow, der nicht von der »psychologischen Geste«, sondern von der Handlung ausging und glaubte, dass das dargestellte Gefühl auf der Bühne das Resultat einer Handlung wäre. Nicht durch »psychologische Rechtfertigungen«, wie bei Stanislawski, sondern mithilfe der theatralen Rechtfertigungen hat Wachtangow die Form seiner Hauptinszenierung Prinzessin Turandot gefunden. Und die Handlungen, die die Akteure während der Proben meistens aus dem Stegreif entwickelten, schufen gerade jene Gefühle zwischen den Figuren auf der Bühne, die diese letzte Inszenierung Wachtangows zum Ausgangspunkt seiner Schauspiellehre posthum machte. Noch praktischer und vor allem akribischer, als es Čechov und Wachtangow vorschlugen, ging an die »Eingeschliffenheit der Geste« Meyerhold heran. Jede Emotion und jedwede Regung der Seele (auch Tränen, Erblassen und Erröten) kann laut Meyerhold via »eingeschliffene Gestik« erreicht werden, wozu man seinen Körper (seinen »Apparat«) vorzüglich trainieren soll (so die Grundlage des Schauspieltrainings, bekannt als Biomechanik). Anders als die aufgezählten russischen Regisseure verhielt sich Brecht zum Thema Bühnenemotionen. Einen persönlichen Emotionseinsatz (»ein persönliches Hineingehen«) sollte man laut Brecht auf der Bühne um jeden Preis vermeiden, um das Spiel nicht zu verderben, und stattdessen das Anvertraute auf den Brettern staunend zeigen.
Wie ich gezeigt habe, war das Thema des Primären von Emotion und Gebärde schon immer ein Dreh- und Angelpunkt jedweder darstellerischen Praxis, die nach einer theoretischen Grundlage suchte. Geschilderte Forschungsansätze über die Emotionen im Theater basieren meistens auf persönlicher Theaterpraxis von deren Autoren. Der vorliegende Ansatz hingegen ruht nicht auf eigener Arbeit als Regisseur, Schauspieler oder Dramaturg, sondern auf teilnehmender wissenschaftlicher Beobachtung, deren Ziel war, eine neuere Untersuchungsmethode der Emotionen auf dem Theatergebiet auszuarbeiten. Die hier vorgeschlagene Methode umfasst nicht nur äußerliche Ausdrücke des Körpers und des Verhaltens der beteiligten Schauspieler. Sie beinhaltet auch interpersönliche psychologische Kombinationen zwischen den Darstellern und dem Regisseur sowie innere, sonst nur intim und ohne Einweihung der Öffentlichkeit ablaufende Vorgänge wie persönliche Gefühlslage und Gedanken des Spielers gegenüber seiner Kunstfigur. Im folgenden Unterkapitel 5.4 wird die Forschungsmethode der Emotionen auf der Grundlage der drei besuchten Probenprozesse des deutschen Regietheaters der Gegenwart kurz dargelegt, um im Kapitel 6 in vollem Umfang entfaltet und im Kapitel 7 im Detail analysiert zu werden.
105Franciscus Lang: Dissertatio de actione scenica (1727), hg. und übers. von Alexander Rudin, München 1975, S. 163.
106Ebd., S. 164.
107Ebd., S. 199.
108Ebd.
109Erika Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters. Vom »künstlichen« zum »natürlichen« Zeichen – Theater des Barock und der Aufklärung, Bd. 2, Tübingen 1983, S. 40.
110Lang: Dissertatio de actione scenica, S. 195.
111Ebd., S. 194f.
112So hat der berühmte amerikanische Emotionsforscher Paul Ekman in seiner 20-jährigen Forschung belegt, »daß es universelle Formen des Gesichtsausdrucks für Gefühle gibt« (Paul Ekman: Gesichtsausdruck und Gefühl: 20 Jahre Forschung von Paul Ekman, hg. und übers. von Maria von Salisch, Paderborn 1988, S. 76.).
113Lang: Dissertatio de actione scenica, S. 200.
114Ebd., S. 201.
115Ebd.
116Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 58. [Hervorhebungen von mir, V. V.]
117Wilfried Passow: »Anmerkungen zur Kunst des Theaters und der Regie im deutschen Theater des 18. Jahrhunderts«, in: Wolfgang F. Bender (Hg.): Schauspielkunst im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1992, S. 133–146, S. 134.
118Ebd.
119Lang: Dissertatio de actione scenica, S. 317.
120Vgl. ebd., S. 316.
121Ebd., S. 158.
122Passow: »Anmerkungen zur Kunst des Theaters und der Regie im deutschen Theater des 18. Jahrhunderts«, S. 137. [Hervorhebung von mir, V. V.]
123Ebd.
124Ebd.
125Sybille Maurer-Schmoock: Lessing und die Bühne seiner Zeit, Tübingen, Phil. Diss. 1980, S. 389, zit. nach Passow, »Anmerkungen zur Kunst des Theaters und der Regie im deutschen Theater des 18. Jahrhunderts«, S. 137. Darauf, dass die allgemeine Atmosphäre des Kontakts zwischen den Spielenden auch heutzutage ein wirksames Element bei den Proben ist, habe ich unter Berufung auf Michail Čechov hingewiesen (vgl. Kapitel 1.2, Anm. 58): »So entsteht aus einer allgemeinen Atmosphäre allmählich ein komplexes Ganzes. Wenn Sie dieses erste Werkstadium, die Lebendigkeit der allgemeinen Atmosphäre, zu gering schätzen, […] werden Sie eine Menge verlieren. Wie das Samenkorn die künftige Pflanze unsichtbar in sich einschließt, schließt auch die Atmosphäre Ihre ganze künftige Bühnenschöpfung unsichtbar in sich ein« (Michail A. Čechov: Die Kunst des Schauspielers, Stuttgart 1990, S. 37f.).
126Johann Heinrich Friedrich Müller: Theatererinnerungen eines alten Burgschauspielers, hg. von Richard Daunicht, Berlin 1958, S. 38, zit. nach Passow, »Anmerkungen zur Kunst des Theaters und der Regie im deutschen Theater des 18. Jahrhunderts«, S. 137.
127Dene Barnett: »Die Aufführungspraxis der Schauspielkunst des 18. Jahrhunderts: Ein Bericht«, in: Bender (Hg.): Schauspielkunst im 18. Jahrhundert, S. 113–132, S. 127. Über den Einsatz theatraler Zeichen im Barocktheater schreibt auch Erika Fischer-Lichte in ihrer Semiotik des Theaters.
128Barnett: »Die Aufführungspraxis der Schauspielkunst des 18. Jahrhunderts«, S. 113.
129Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine ähnliche Erkenntnis Alexander Rudins, die er im Nachwort zu Franciscus Langs Dissertatio formuliert: »Die Anweisungen zu bestimmten Gebärden und zur Deklamation stammen aus rhetorischen Lehrbüchern und einem pädagogischen Kompendium des Jesuitenordens. Sie gehen sämtlich zurück auf Ciceros, Quintilians und des Auctor ad Herennium Schriften zur Rhetorik, genauer: auf deren Anleitungen für einen wirkungsvollen, von Mimik und Gestik unterstützten Vortrag. Dieser letzte, pronuntiatio oder actio genannte Abschnitt der traditionell fünfgliedrigen Rhetorenschulung erfuhr seit etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts eine zunehmend spezialisierte Behandlung, so daß sich besondere Fächer wie Chirologie (Hände- bzw. Fingersprache) und Chironomie (Kunst der ausdrucksvollen Handbewegungen) ausbildeten. Die von Lang herangezogenen Eloquentiae Sacrae et Humanae Parallela Libri XVI (Paris 1619) seines Ordensbruders Nicolas Caussin machen solche Bestrebungen deutlich; Caussin, wie alle Chironomen der antiken Vorbildern, besonders Quintilians Institutio oratoria (95 n. Chr.) verpflichtet, entwickelt eine höchst differenzierte Gebärdensprache, die – einer gestischen Kasuistik gleich – jedem Affekt bestimmte Hand- und Fingerbewegungen zuordnet und deren Ausführung peinlich genau regelt. Welche Akribie dabei entfaltet werden konnte, hat John Bulwer gezeigt, der unter dem Namen Freund der Händeweisheit (Philochirosophus) 1644 in London je einen Band Chirologia und Chironomia veröffentlichte. Das Werk bringt auf fünf Tafeln 120 Darstellungen verschiedener Hand- und Fingerhaltungen, jede mit spezifischer Bedeutung. Wie Caussin stützt Bulwer sich auf Quintilian, und dieses gemeinsamen Gewährsmannes wegen wirken seine »chyrograms« zur Trauer, Bewunderung, Abweisung, Entrüstung und Verachtung als Illustrationen der betreffenden Unterweisungen Langs.« (Lang, Dissertatio de actione scenica, S. 324f.) Auch Fischer-Lichte deutet auf die Verbindung zwischen der schauspielerischen Gebärdenkunst und der antiken Rhetorik hin (vgl. Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 43, 53 u. 189).
130Barnett: »Die Aufführungspraxis der Schauspielkunst des 18. Jahrhunderts«, S. 127.
131Ebd., S. 130.
132Hoftheater hatten oft kein festes Schauspielerensemble und luden die Wandertruppen ein, um die von den Hofdichtern geschaffenen Werke auf die Hofbühne zu bringen. Ein Paradebeispiel des typischen Wanderlebens stellt das Leben des Schauspielers Conrad Ekhofs (des späteren Begründers der ersten deutschen und de facto auch europäischen Schauspielerakademie) dar. Mit der Schönemannschen Gesellschaft trat er auf zahlreichen deutschen Bühnen auf. Vgl. z. B. in: Heinz Kindermann: Conrad Ekhofs Schauspieler-Akademie, Wien 1956, S. 67: »[…] Ekhof, der, wie jeder andere Angehörige der Schauspieler-Wandertruppen, nach kurzer Frist des Bleibens wieder seine Zelte abbrechen und weiterfahren mußte, um in der nächsten Stadt mühsam wieder alles neu aufzurichten; […] der im Plachenwagen inmitten von Dekorationen und kümmerlichen Requisiten und Koffern die holprige Fahrt von Stadt zu Stadt unternahm, bald nach der Ankunft, noch todmüde, straßauf, straßab laufen mußte, um ein Quartier zu finden bei Leuten, die nicht Angst hatten, der Unbehauste von der Komödie werde sie bestehlen oder sonst in den bürgerlich wohlbehüteten Lebensraum einbrechen […].«
133Lang: Dissertatio de actione scenica, S. 209.
134Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 132.
135Aber mit den Dichtern, die für die Hoftheater schrieben und nicht selten unmittelbar an den Inszenierungen teilnahmen, mussten wandernde Schauspieler in gewissen künstlerischen Fragen Gemeinsamkeiten finden.
136Der erste Versuch eines deutschen Nationaltheaters geht auf das Jahr 1767 zurück, als Johann Friedrich Löwen, ein deutscher Intellektueller, Theatertheoretiker und Vertrauter Gotthold Ephraim Lessings und Conrad Ekhofs, das Hamburgische Nationaltheater gründete. Jedoch ging das Theater zwei Jahre später aufgrund der internen Unstimmigkeiten zwischen den Schauspielern und der Theaterleitung ein. Heinz Kindermann schildert die Situation um die Entstehung und Auflösung des ersten deutschen Nationaltheaters so: »So wundert es uns nicht, daß Ekhofs Akademie-Gedanke [gemeint ist Ekhofs Gründung der ersten deutschen Schauspielerakademie 1753] nachher in vielerlei Varianten nachwirkte. Löwen griff die Idee im Zusammenhang mit den Propositionen für das Hamburgische Nationaltheater auf. In der um Mitte 1766 erschienenen vorläufigen Nachricht über die 1767 vorzunehmende ›Veränderung des Hamburgischen Theaters‹ wird berichtet, der ›Directeur‹ des künftigen Hamburgischen Nationaltheaters, in diesem Fall ein literarischer Direktor, nämlich Löwen selbst, werde die Schauspieler der Nationalbühne zu einer ›theatralischen Academie‹ zusammenfassen, ihnen dort ›Unterricht‹ erteilen, ›der, wie bereits gesagt, die Bildung des Herzens und des Geschmacks betrifft‹ und überdies ›über kurz von ihm herauszugebende Grundsätze der körperlichen Beredsamkeit und über des Dorat vortrefflichen Essay sur la Déclamation tragique, der nächstens national gemacht werden soll, ordentliche Vorlesungen halten‹. Löwen wandelt damit den kollegialen Akademie-Gedanken in den einer Schauspieler-Hochschule […]. Die Schauspieler ließen sich wohl von ihrem Besten, von Ekhof, zur Not lenken und zur gemeinsamen Aussprache bewegen. Löwens dekretierende Art hingegen lehnten sie als Versuch einer Literarisierung des Theaters ab. Mit völlig anderen Vorzeichen hingegen und mit größtem Erfolg übernahm 1778 Wolfgang Helibert von Dalberg in dem von ihm geleiteten Mannheimer Nationaltheater Ekhofs kollegiale Akademie-Idee.« (Vgl. Heinz Kindermann: Conrad Ekhofs Schauspieler-Akademie, Wien 1956, S. 83f.) Hiermit gilt das Mannheimer Nationaltheater als erster geglückter Versuch eines Nationaltheaters in Deutschland. Über die Etablierung des Nationaltheaters in Deutschland siehe auch Rudolf Schlösser: »Vom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbühne, 1767–1779: 13 Jahre aus der Entwicklung eines deutschen Theaterspielplans«, Hamburg 1895, in: Theatergeschichtliche Forschungen, Bd. 13, Nendeln 1978.
137Lessing spielt hier darauf an, dass Gottsched in einem seiner Ende der 1730er Jahre verfassten Stücke den Harlekin (Hanswurst) von der Bühne verbannte, um damit die Qualität der deutschen Komödie zu verbessern.
138Gotthold Ephraim Lessing: Literaturkritik, Poetik und Philologie, 17. Literaturbrief, München 1973, S. 71.
139Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 133.
140Conrad Ekhof: »Journal der Akademie der Schönemannischen Gesellschaft«, in: Heinz Kindermann: Conrad Ekhofs Schauspieler-Akademie, S. 8–41, S. 17.
141Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 101. bis 104. Stück, in: Ders.: Werke in drei Bänden, Bd. 2, Leipzig 1956, S. 512.
142Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 133f.
143Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 3. Stück, in: Ders.: Werke in drei Bänden, Bd. 2, S. 267.
144Nach Lessing ist die Empfindung »etwas Inneres, von dem wir nur nach seinen äußern Merkmalen urteilen können«. (Vgl. ebd., S. 266.)
145Ebd., S. 267.
146Ebd.
147Ebd.
148Ebd., S. 267f.
149Ebd., S. 268.
150Ebd., S. 267.
151Vgl. in: Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie, Stuttgart 2003, insbes. S. 16 u. 22.
152Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 136.
153Ebd., S. 137 u. 145.
154Ebd., S. 143.
155Ebd.
156Ebd., S. 144.
157Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 101. bis 104. Stück, S. 512.
158Johann Jakob Engel: Ideen zu einer Mimik (1785–1786), wieder abgedruckt in: Ders.: Ideen zu einer Mimik. Zwei Teile, Darmstadt 1968.
159Vgl. dazu auch Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 156–177.
160Engel: Ideen zu einer Mimik, Erster Theil, S. 55.
161Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 158.
162Engel: Ideen zu einer Mimik, Erster Theil, S. 80f.
163Ebd., S. 61.
164Ebd., S. 98f.
165Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 159.
166Ebd.
167Engel: Ideen zu einer Mimik, Erster Theil, S. 96f.
168Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 159.
169Engel: Ideen zu einer Mimik, Erster Theil, S. 97f.
170Ebd., S. 97.
171Ebd., S. 105.
172Ebd., S. 19.
173Ebd., S. 177.
174Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 164.
175Engel: Ideen zu einer Mimik, Erster Theil, S. 244.
176Ebd., S. 245.
177Ebd., S. 251.
178Ebd., S. 250f.
179Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 164.
180Annemarie Matzke analysiert im fünften Kapitel ihrer Habilitationsschrift die Anfänge der Theaterprobenpraxis um 1800 am Beispiel des Weimarer Hoftheaters (vgl. Annemarie Matzke: Arbeit am Theater. Eine Diskursgeschichte der Probe, Bielefeld 2012, S. 129–156). Zum »probenintensiven Regietheater« unter der Leitung Goethes beruft sich Matzke auf die Goethe-Forscher Peter Huber und Ekkehard Krippendorff (vgl. ebd., S. 130, Anm. 4). Huber selbst schreibt: »Zwar war Goethe nicht der alleinige Erfinder des probenintensiven Regietheaters – Ansätze existierten dazu bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert in Paris und Wien –, doch trug er maßgeblich zu seiner Verbreitung in Deutschland bei.« (Peter Huber: »Goethes praktische Theaterarbeit«, in: Bernd Witte u. a. (Hg.): Goethe-Handbuch, Bd. 2, Stuttgart 1997, S. 21–42, S. 41.) Weiterhin betont Matzke unter Rekurs auf Krippendorff, dass sich Goethes künstlerische Praxis durch »systematische Probenarbeit« auszeichne (vgl. Matzke: Arbeit am Theater, S. 130).
181Man denke allein an die Weimarer Theatergesetze aus dem Jahr 1793, die die Schauspieler Goethe zur Unterzeichnung vorlagen. Die in Paragraphen eingeteilten Gebote, Regelungen und Vorschriften an sich selbst (!) sind ein Beispiel bedingungsloser Einwilligung in das entstehende Betriebssystem und die bürokratische Ordnung des neuen Theaters. Matzke erwähnt ähnliche Theatergesetze an den Hoftheatern in Mannheim, Gotha und Hamburg (vgl. Matzke: Arbeit am Theater, S. 149, Anm. 58).
182Matzke: Arbeit am Theater, S. 131.
183An dieser Stelle muss der grundlegende Unterschied zwischen der Probe damals und heute erläutert werden. Matzke unterstreicht, dass sich die übliche Probenzeit Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts auf nur drei bis vier Probentage belief. Über den Umstand, dass Goethe die gesamte Probenzeit für das Stück Die Geschwister auf dem Lande sogar auf acht Probentage verteilte (»Allerdings sind in diesen acht Tagen auch Zeiten zum individuellen Textstudium enthalten.« [ebd., S. 130]), führt Matzke aus, dass Goethe zum »probenintensiven Regietheater« neigte. Dabei sind natürlich die Funktionsunterschiede der Probe damals und heute zu betonen: Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts durfte in der Probe nichts vorkommen, was nicht in die Aufführung eingehen sollte. Die repetitive Wiederholung der Proben bezeichnete Schiller als »Zeitverlust« (vgl. Schiller an Goethe am 28.4.1801, in: Emil Staiger (Hg.): Der Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe, Frankfurt/M. und Leipzig 2005, S. 917, zit. nach Matzke: Arbeit am Theater, S. 130). Damit wird auch die damalige Tendenz der knappen Probenzeit erklärt. Heutzutage wird die Probe hingegen als eine Stätte für die Ausübung und Vervollkommnung der künstlerischen Arbeit des Schauspielers und für die kreative Zusammenarbeit des gesamten Probenteams begriffen, was zu Goethes Zeiten in Opposition zum professionellen Theater stand und als Hauptmerkmal des Dilettantismus galt.
184Matzke: Arbeit am Theater, S. 153.
185Ebd., S. 152.
186Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller: »Fragmente über den Dilettantismus«, in: Johann Wolfgang von Goethe: Weimarer Ausgabe, Weimar 1887–1919, Bd. 47, S. 302, zit. nach Matzke: Arbeit am Theater, S. 132; Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller: »Über den Dilettantismus«, in: Weimarer Ausgabe, Bd. 1, 47, S. 747, zit. nach Matzke: Arbeit am Theater, S. 131.
187Johann Wolfgang von Goethe: »Tag- und Jahres-Hefte«, in: Ders.: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens, Münchener Ausgabe, Bd. 14, München 1986, S. 102, zit. nach Matzke: Arbeit am Theater, S. 138. [Hervorhebung von mir, V. V.]
188Matzke: Arbeit am Theater, S. 139.
189Erika Fischer-Lichte: Kurze Geschichte des deutschen Theaters, Tübingen 1993, S. 143.
190Johann Wolfgang von Goethe: »Regeln für Schauspieler«, in: Ders.: Ästhetische Schriften 1771–1805, Bd. 18, Frankfurt/M. 1998, S. 857–882.
191Ebd., S. 864.
192Ebd., S. 865.
193Ebd., S. 864.
194Ebd., S. 865.
195Ebd. [Hervorhebung im Original]
196Ebd., S. 866.
197Ebd., S. 865f.
198Diese Vorschrift Goethes spannt, wie schon gesagt, eine Brücke zum 20. Jahrhundert, und es finden sich unvermeidliche Parallelen mit Michail Čechovs Probenanweisung über die Schöpferische Individualität in dessen Schauspiellehrbuch Die Kunst des Schauspielers. Čechov weist deutlich darauf hin (indem er sich der wissenschaftlichen Terminologie des 20. Jahrhunderts über das Bewusste und Unbewusste, über das Selbst der schöpferischen Gestalt usw. bedient), dass »die Wünsche, Bedürfnisse und Erlebnisse Ihrer Bühnengestalt […] sämtlich irreal [sind], ganz gleich, wie intensiv sie sind; sie dürfen gar nicht real sein. […] Woher kommen dann diese irrealen, rein imaginativen Gefühle? Sie sind eine Gabe Ihrer schöpferischen Individualität.« (Michail Čechov: Die Kunst des Schauspielers, Stuttgart 1990, S. 123.) Čechov bezeichnet schöpferische Gefühle als Mit-Fühlen. Das Mit-Fühlen »[schafft] die ›Seele‹ der Bühnengestalt mit. Ihr höheres ›ICH‹ fühlt mit der von ihm selbst geschaffenen Bühnengestalt mit. Der Künstler in Ihnen leidet mit Hamlet, beweint Julias tragisches Ende und lacht über Falstaffs Fehltritte. Als freier und an nichts Persönliches gebundener Schöpfer und Beobachter bleibt er jedoch selbst distanziert. Sein Mit-Leiden, sein Mit-Freuen und Mit-Lieben, sein Gelächter und seine Tränen werden dem Zuschauer übermittelt als das Lachen und Weinen, die Liebe, die Schmerzen und Freuden, als die ›Seele‹ der Bühnengestalt. […] Der Schauspieler irrt, wenn er glaubt, seine Rolle mittels persönlicher Gefühle darstellen zu können. Nicht immer macht er sich klar, daß seine persönlichen Gefühle nur über ihn selbst etwas aussagen, niemals über seine Rolle. Nur durch Mitgefühl ist eine fremde Seele zu verstehen. Sogar im Alltag ist Ihnen schon aufgefallen, daß Sie einen anderen Menschen nur dann wirklich verstehen können, wenn Ihr Mitgefühl angesprochen ist. Derselbe Ablauf gilt für die schöpferischen Momente.« (Ebd., S. 124f.) Bemerkenswert ist, dass auch Čechov in seinem eineinhalb Jahrhunderte nach Goethe verfassten Werk den deutschen Klassiker als einen unübertroffenen Meister der psychologischen Selbstbeobachtungerwähnt. Čechov empfiehlt dem Schauspieler bei der Selbstbeobachtung jene Psychologie zu verwenden, die Goethe an sich selbst verwendete. Unter Berufung auf den Philosophen, Anthroposophen und Goethe-Forscher Rudolf Steiner empfiehlt er den Berufsschauspielern, eine psychologische Methodik auszuarbeiten, die schon Goethe verwendete: »Sie können auf eine psychologische Struktur hinarbeiten, wie sie ähnlich auch Goethe eigen war. Wie Rudolf Steiner sagt [Čechov verweist hier auf Steiner, vgl. dazu Rudolf Steiner, Marie Steiner-von Sivers: Sprachgestaltung und Dramatische Kunst: ein Vortragszyklus, gehalten in Dornach vom 5. bis 23. September 1924, Dornach 1981, S. 18f.], besaß Goethe in höchstem Grade die Fähigkeit zur distanzierten, objektiv-unpersönlichen Selbstbeobachtung. Selbst in den stimmungsvollsten Augenblicken seines Lebens gestattete er sich das Vergnügen eines doppelten Bewußtseins. Dieser Fähigkeit verdankte Goethe sein subtiles Verständnis für das menschliche Seelenleben, das sich unter anderem in seinem romantischen Werk widerspiegelt. Diese Fähigkeit leistet einen großen Beitrag für die Emanzipation Ihres schöpferischen ›ICH‹ und schenkt Ihnen immer öfter Augenblicke der Inspiration.« (Čechov: Die Kunst des Schauspielers, S. 126)
199Goethe: »Regeln für Schauspieler«, S. 877.
200Ebd.
201Ebd.
202Dies stimmt mit der Diderot’schen Ausführung überein, die im Brief über die Taubstummen formuliert ist: »[…] daß sich ein großer Teil der Reden […] ohne erhebliche Schwierigkeiten in die Sprache der Gesten übersetzen lassen. Darüberhinaus hat die gestische Sprache den Vorteil, leichter verständlich zu sein als die Wortsprache. […] Dieser Schluß ist nun für die Schauspielkunst insofern von Bedeutung, als im Theater weitgehend Gegenstände behandelt werden, auf die diese Charakteristik zutrifft: Was in den Reden der Personen ausgesagt wird, muß sich zu einem großen Teil ebenso angemessen in Gesten ausdrücken lassen.« (Fischer-Lichte: Semiotik des Theaters, Bd. 2, S. 120.)
203Goethe: »Regeln für Schauspieler«, S. 878.
204Ebd.
205Matzke: Arbeit am Theater, S. 142.
206Ebd., S. 136.
207Ebd.
208Ebd., S. 137.
209Michail Čechov schreibt in seinen Memoiren Folgendes über Stanislawskis »Naturalismus«: »Jene Wahrheit, die er dem russischen Theater eingeimpft hatte, eine Wahrheit, die Publikum und Schauspieler in Rußland so sehr liebten und schätzten, hieß bei Stanislavskij Naturalismus, und, wie mir schien, unterschied er diesen nicht vom Realismus. Der Realismus ist nicht weniger wahr als der Naturalismus, mit einem einzigen Unterschied freilich, daß nämlich jede phantastische Figur, Situation oder Psychologie realistisch sein kann. […] Stanislavskij inszenierte einerseits den ›Blauen Vogel‹, andererseits den ›Panzerzug‹. Für ihn waren durch ihre szenische Wahrheit beide Inszenierungen künstlerisch gleichwertig, wobei er übersah, daß im Vergleich zur lebensvollen Phantastik des ›Blauen Vogels‹ der ›Panzerzug‹ nicht mehr war als eine photographische Reproduktion der Ereignisse zwischen 1918 und 1920. Das war Natur, existierte also unabhängig vom Theater oder der Kunst überhaupt. Das Fehlen einer zeitlichen Perspektive machte diese Ereignisse auf der Szene unkünstlerisch und nahm ihnen das Element des Phantastischen.« (Michail Čechov: Leben und Begegnungen: Autobiographische Schriften, Stuttgart 1992, S. 139f.) Čechov plädierte also nicht für die »photographische Reproduktion der Ereignisse«, die er für »unkünstlerisch« hielt, sondern für den fiktiven Charakter jedes »Naturalismus« auf der Bühne (für dessen Darstellung entsprechende Schauspielmethoden damals noch ausgearbeitet werden mussten).
210Z. B. zeugt davon die von Wsewolod Meyerhold ausgearbeitete Körperlehre und -sprache, die er als Biomechanik bezeichnete. Ein anderes Beispiel für eine Schauspiellehre ist die »komödiantisch-virtuose Spielform« von Jewgeni Wachtangow, der »neben der Wahrhaftigkeit des Erlebens auf Rhythmik, Gestik, Plastizität des Ausdrucks gesteigerten Wert [legte]«. (Vgl. in: Michail Čechov: Leben und Begegnungen: Autobiographische Schriften, Stuttgart 1992, S. 122, Anm. 161.) Aufgrund des frühen Todes hat Wachtangow es nicht geschafft, seine Arbeitsmethode schriftlich zu überliefern. Aber sein Schüler und Nachfolger Boris Sachawa hat Wachtangows Regie- und Schauspielansätze, die er in den Proben leidenschaftlich verfolgte, weiterentwickelt und auf dieser Grundlage eine Schauspielschule gegründet, die den Namen Wachtangows trug. Heute ist sie unter dem Namen Schtschukin-Schauspielschule am Wachtangow-Theater in Moskau bekannt. Die von Sachawa systematisierte Wachtangow-Methode wird ausschließlich von den Schülern der Schtschukin-Schauspielschule von einer Generation zur anderen überliefert. Michail Čechovs Lehre Die Kunst des Schauspielers ist ein weiteres Beispiel einer Schauspieltheorie von einem Stanislawski-Schüler. Die Struktur dieser Schrift ist überschaubar: Die Abhandlung ist in konkrete, betitelte Probenanweisungen eingegliedert, die ihrerseits praktische Übungen für Schauspielstudierende enthalten. (Dabei ist zu erwähnen, dass auch Stanislawski einige »Übungen und Etüden« zum Unterricht nach dem »System« für den zweiten Teil seines Lehrbuchs vorbereitet hatte. Diese Übungen stellen aber nur Rohentwürfe dar und hätten später noch ergänzt und überarbeitet werden sollen, was durch Stanislawskis Tod 1938 verhindert wurde.)
211Čechov: Leben und Begegnungen, S. 141.
212Vgl. Stanislawski: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens, Teil 1, S. 191.
213Čechov: Leben und Begegnungen, S. 140, Anm. 200.
214Stanislawski: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Erlebens, Teil 1, S. 191.
215Ebd., S. 389, Anm. 36.
216Ebd., S. 205.
217»Arrangement« meint in der russischen Originalausgabe »mizanscena« (»mise-en-scène«).
218Ebd., S. 208.
219Ebd., S. 209.
220Ebd., S. 210.
221Ebd., S. 211.
222Čechov: Leben und Begegnungen, S. 140.
223Ebd. [Hervorhebungen im Original]
224Ebd., S. 141. [Hervorhebungen im Original]
225Ebd., S. 58, Anm. 75. [Hervorhebungen im Original]
226Ebd., S. 127f.
227Im zweiten Teil seines Werks Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Verkörperns widmet Stanislawski das Kapitel mit dem Titel Selbstbeherrschung und Vollendung der Entwicklung des schauspielerischen Vermögens, seine Gestik zu kontrollieren. »Die disziplinierte Gebärde« kann nur ein selbstbeherrschender Schauspieler vollziehen, der die von ihm darzustellende Figur »nicht durch übertriebene Gestik belastet«, »der alle konvulsiven und krampfhaften Bewegungen meidet« (Stanislawski: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Verkörperns, Teil 2, S. 195). Stanislawski vergleicht eine übertriebene Gestik des Schauspielers mit Wasser, »mit dem man guten Wein verdünnt«, der dadurch seine Qualität und seinen echten Geschmack einbüßt und zu einer »leicht rosig gefärbte[n] Flüssigkeit« wird (ebd., S. 194). Der Schauspieler solle »nur drei oder vier charakteristische, für seine Rolle typische Bewegungen und Handlungen« finden, um »von sich selbst loszukommen und sich äußerlich nicht in jeder neuen Rolle zu wiederholen« (ebd., S. 195). »[C]harakteristische Bewegungen [identifizieren] den Schauspieler mit der Rolle […], während seine eigenen Bewegungen ihn von der darzustellenden Person distanzieren, ihn in die Sphäre seiner persönlichen, individuellen Empfindungen und Gefühle zurückdrängen« (ebd.). Auf den ersten Blick scheint es erstaunlich zu sein, dass Stanislawski hier – im Widerstreit mit seiner eigenen Theorie des emotionalen Gedächtnisses – den Schauspieler auffordert, seine individuellen Gefühle zurückzudrängen. Dann präzisiert er jedoch, dass »das Gefühl des Schauspielers mit dem der Rolle übereinstimmen muß« (ebd.). Das bedeutet, dass Stanislawski hiermit auf eine große und ermüdende Arbeit des Schauspielers vor dem Bühnenauftritt, also »daheim und auf den Proben«, hinweist: »Wenn der Schauspieler daheim und auf den Proben das Schicksal seiner Rollengestalt durchlitten und mit ihr geweint hat, muß er sich zunächst wieder fassen und von jeder übermäßigen Erschütterung freimachen, die ihm nur hinderlich sein würde. Denn sobald er auf der Bühne steht, muß er imstande sein, den Zuschauern klar, eindringlich, ausdrucksvoll und verständlich mit Hilfe seines eigenen Gefühls von dem zu berichten, was er zuvor empfunden und durchlebt hat« (ebd., S. 193; Hervorhebung von mir, V. V.) Stanislawski plädiert also für die Kontrolle der eigenen Emotionen beim unmittelbaren Spielen, aber besteht auf dessen Erleben. Er meint aber das Erleben nicht der spontan und zufällig auf der Bühne entstandenen Elemente, sondern das Erleben der vorher künstlerisch ausgewählten und im Prozess des (Selbst-)Probens durchlebten Charakterzüge der Figur.
228Čechov: Die Kunst des Schauspielers, S. 46. [Hervorhebungen im Original]
229Vgl. ebd., S. 49–70.
230Ebd., S. 53. [Hervorhebung im Original]
231Stanislawski: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst im schöpferischen Prozess des Verkörperns, Teil 2, Westberlin 1984, S. 194. [Hervorhebung von mir, V. V.]
232Vgl. ebd., S. 454, Anm. zu Übungen und Etüden.
233Vier Jahre nach Wachtangows Tod wurde 1926 aus der Dritten Studiobühne das Wachtangow-Theater.
234MChAT (rus. Moskovskij Chudožestvennyj Akademičeskij Teatr) – russische Abkürzung für Moskauer Künstlertheater.
235Čechov: Die Kunst des Schauspielers, S. 68.
236Ebd.
237Vladislav Ivanov: Evgenij Vachtangov. Dokumenty i svidetelstva, gesammelte Dokumente in zwei Bänden, Bd. 2, Moskva 2011, S. 434. [meine Übersetzung, V. V.]
238Ebd. [meine Übersetzung, V. V.]
239Einschub aus »Der Weg des Schauspielers«, Moskva 1986, Bd. 1, S. 78–80, in: Čechov: Die Kunst des Schauspielers, S. 66.
240Ebd., S. 66f.
241Ivanov: Evgenij Vachtangov, S. 437. [Übersetzung von mir, V. V.]
242Ebd., S. 438. [Übersetzung von mir, V. V.]
243Ebd., S. 439. [Übersetzung und Hervorhebung von mir, V. V.]
244Ebd. [Übersetzung und Hervorhebung von mir, V. V.]
245Ebd., S. 530. [Übersetzung von mir, V. V.]
246Ebd., S. 434. [Übersetzung von mir, V. V.]
247Ebd. [Übersetzung von mir, V. V.] Meyerhold war davon überzeugt, dass Das Heimchen am Herd als eine Phantasie zu spielen war (was weit von der naturalistischen Konzeption der MChAT-Aufführung stand). Und der Einzige, der laut Meyerhold diesem Konzept gemäß spielte, war Wachtangow. Deswegen sagte er, dass nur Wachtangow hier »richtig« spielte. (Vgl. ebd.)
248Ebd., S. 434. [Übersetzung von mir, V. V.]
249Ebd., S. 466f. [Übersetzung von mir, V. V.]
250Ebd., S. 467. [Übersetzung von mir, V. V.]
251Der Regisseur Thomas Ostermeier war z. B. in ein Biomechanik-Projekt involviert. Noch als Regiestudent inszenierte er 1995 im Rahmen eines Meyerhold-Projekts zur Biomechanik an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch das Stück Die Unbekannte von Alexander Block.
252Wsewolod Meyerhold: »Der Lehrer Bubus und das Problem einer Spielweise mit Musik. Referat vom 1. Januar 1925«, in: Ders.: Schriften, Zweiter Band 1917–1939, Berlin 1979, S. 58–89, S. 86f.
253Wsewolod Meyerhold: »Aus einer Rede während einer Diskussion über Die schöpferische Methode des Meyerhold-Theaters. 25. Dezember 1930«, in: ebd., S. 223–233, S. 233.
254Meyerhold liefert dabei Beispiele von den Schauspielerinnen Ganako und Tina di Lorenzo, die imstande waren, auf eigenen Wunsch ihre Reflexe meisterhaft zu steuern. (Vgl. Meyerhold, »Der Lehrer Bubus und das Problem einer Spielweise mit Musik. Referat vom 1. Januar 1925«, S. 87.)
255Vgl. Kapitel 5.3, Anm. 112 u. 113.
256Bertolt Brecht: Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. 7, Schriften 1: Zum Theater, Frankfurt/M. 1967, S. 397.
257Ebd., S. 397f. [Hervorhebungen von mir, V. V.]
258Ebd., S. 394f. [Hervorhebung von mir, V. V.]
259Ebd., S. 407.
260Vgl. ebd.
261Ebd.
262Ebd., S. 408. [Hervorhebungen von mir, V. V.]
263Ebd.
264Über die Relevanz der Kunst des Beobachtens für die Schauspielerausbildung schreibt Brecht in seiner späteren Schrift Neue Technik der Schauspielkunst (1949 bis 1955). Er wirft den Schauspielschulen vor, dass sie »die Beobachtung und die Nachahmung des Beobachteten [vernachlässigen]. […] Es genügt nicht, die Figuren der Dichtungen gut aufzunehmen, sondern man muß als Schauspieler ständig wirkliche Menschen um sich herum und am fernsten Umkreis dazu aufnehmen und verarbeiten. In gewisser Weise verwandelt sich für den Schauspieler seine ganze Umwelt in Theater, und er ist der Zuschauer. Ständig eignet er sich das seiner ›Natur‹ Fremde an, und zwar so, daß es ihm fremd genug bleibt, das heißt so fremd, daß es sein Eigenes behält.« (In: Brecht: Gesammelte Werke in acht Bänden, Bd. 7, Schriften 1: Zum Theater, S. 741.) Brecht ordnet das Vermögen des Beobachtens sogar einer der zehn wichtigsten Vorschriften zu, die den Schauspielerberuf prägen: »Was ihm [dem Schauspieler] über vieles hinweghilft, ist die Kunst des Beobachtens, die er ständig ausübt. Er beobachtet, indem er nachmacht. Und er erfindet für die Beobachteten ein Verhalten für viele Situationen, die er nicht beobachten kann.« (Ebd., S. 743.)
265Ebd., S. 760. Der Text Die Spielleitung Brechts (S. 759–762) wurde in dieser Fassung von Brecht geschrieben; er wurde von Käthe Rülicke für Theaterarbeit redigiert und ergänzt.
266Ebd.
267Siehe dazu z. B. Anmerkungen zu Stücken und Aufführungen 1918–1956, in: ebd., S. 944–1296.