Bretter, die die Welt deuten
von Canan Bayram
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Der produktive Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt, der nicht das Einverständnis kleiner Grüppchen, sondern die Auseinandersetzung mit der Gesamtgesellschaft im Blick hat, darum geht es. So formulierte es vor knapp zehn Jahren Shermin Langhoff, als sie – zunächst zusammen mit Jens Hillje als Ko-Leiter – die Intendanz des Gorki Theaters übernahm. Diese Ansage zog Schauspieler*innen, Dramaturg*innen und Regisseur*innen aus aller Welt an. Sie fanden mitten Unter den Linden, im kleinsten der Stadttheater Berlins, im wahrsten Sinne des Wortes einen Raum, an dem sie ihre Welt thematisieren und ihre politischen Konflikte und Fragestellungen verhandeln konnten. So auch bei der zuletzt von mir besuchten Inszenierung Slippery Slope, das den Wunsch nach einfachen Wahrheiten und das Manipulationspotenzial durch politische Narrative auf die Tagesordnung setzt. Auch dies eine Intervention in die aktuellen Diskurse in der Stadt.
Im Gorki lebt ein Theater, das die Gestaltung und Werte, das Zusammenleben und die Interessen der Weltgesellschaft repräsentiert, verhandelt und kritisch hinterfragt. Nicht reduziert auf Berlin, sondern hinaus in die Welt wirkend. Themen und Fragen, die mich als Politikerin umtreiben, bewegen auch das Gorki und sind in Arbeiten wie Berlin Oranienplatz oder Schwarzer Block mit drin. So landet die Welt buchstäblich auf den Bühnenbrettern. Und kehrt von dort in...