Orchestration von Bewegung: Performancekunst
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die neuen technologischen Medien hatten ein enorm fruchtbares Feld für die weitere Pflege des „kulturellen Antlitzes“ des Kapitalismus geschaffen. Nach den Anfängen vor dem Krieg beteiligte sich jetzt avancierte Kunst vermehrt an der ästhetischen Ausgestaltung der Warenzirkulation. Der Werbefilm der 1920er und 1930er Jahre bot die Möglichkeit neuer radikaler darstellerischer Experimente, nicht nur Avantgardefilmer, auch andere avancierte Künstler mit der Wirtschaft verbindend. Vor seinem experimentellen Berlin-Film SINFONIE EINER GROSSSTADT hatte Walther Ruttmann semi-abstrakte handkolorierte Werbefilme für die Pinschener-Gesellschaft gedreht, so 1922 DAS WUNDER für Kantorowicz-Likör (40 Meter), in dem ein freundlich und ein griesgrämig gezeichneter Kopf sich anstarren, bis eine immer wieder auftauchende Flasche ihre Flüssigkeit auf die ausgestreckten Zungen der Köpfe gießt, und DAS WIEDERGEFUNDENE PARADIES (100 Meter) für den Verband Deutscher Blumenhändler. Die Bauhausschülerin Lore Leudesdorff, die mit Ruttmann zusammenarbeitete, schrieb später: „Da konnte ich alles anwenden, was ich am Bauhaus gelernt hatte. Das Abstrakte, das Hintergründige, das Neue in Farben und Formen.“196 Von Dada kommend, machte Hans Richter neben seinem abstrakten Avantgardefilm RHYTHMUS 21, in dem sich laufend verschiedene weiße eckige Gebilde auf einer dunklen Fläche formen und wieder verschwinden, Werbefilme, unter anderem DER ZWEIGROSCHEN-Z...