Publikumserinnerung: Das schafft kein Film
von Sandra Erkenberg
Erschienen in: 70 Jahre Zukunft – Theater der Jungen Welt Leipzig (03/2017)
»Oh Mama, warum müssen wir ins Theater?«, hat mich mein achtjähriger Sohn gefragt, »Können wir nicht lieber einen Film im Fernsehen oder im Internet anschauen, gemütlich zu Hause?« Ja, das könnten wir, war meine Überlegung, das wäre auch für mich als Mutter einfacher. Keine volle Straßenbahn auf dem Hinweg, kein Anstellen an der Kasse, kein Geld ausgeben, kein Gedrängel oder womöglich laute Schulklassen usw.
Trotzdem – Theater ist etwas anderes als ein Film. Das hab ich als Kind selbst gespürt, wenn meine Mutter oder Oma mit mir hingegangen ist. Es wurde zelebriert. Vorher sorgsam ausgewählt, was »gegeben« wurde, dann ein Plan für den besonderen Tag gemacht. Einer der schickeren Pullover oder gar eine Bluse wurde angezogen, meine Mutter legte Lippenstift auf. Dann ging es zum Theater: immer ein großes, imposantes, altes Haus; lange, breite Treppen hinauf; eine Frau die Jacken und Mäntel abnimmt und ordentlich aufhängt, Plätze suchen; den schweren Samtvorhang bestaunen. Dann das Stück, mal mehr, mal weniger mitreißend, ehrlich gesagt: Manchmal habe ich auch nur die Hälfte verstanden. Hinterher alles retour, aber irgendwie mit dem Gefühl etwas gemeinsam erlebt zu haben, dabei gewesen zu sein.
So versuche ich es meinem Sohn zu erklären. Er nickt wissend: »Okay, also...