Wir sind alle Hrant Dink
von Züli Aladağ
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Am 19. Januar 2007 wurde Hrant Dink, der armenische Journalist, Publizist und Intellektuelle mit türkischer Staatsbürgerschaft, in Istanbul auf offener Straße vor dem Büro seiner Zeitschrift „Agos“ von einem 16-jährigen Nationalisten erschossen. Hinter dem minderjährigen Täter stand ein ganzes Netzwerk, das ihn instrumentalisiert hatte. Wie so oft bei Verschwörungen, kamen nur Teile der Wahrheit über die Hintermänner ans Licht.
Hrant Dink hat sich für einen offenen Dialog zwischen Armeniern und Türken eingesetzt und sich für deren Aussöhnung engagiert. Mehrmals haben sich Gerichte mit seinen Texten befasst und ihn zu Unrecht wegen „Beleidigung des Türkentums“ verurteilt. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt im Fernsehen, in der Talkshow „Neden“ („Warum“) des Journalisten und Moderators Can Dündar, drohte ihm einer der Talkgäste, ein Vordenker und Ideologe der türkischen Nationalisten, er solle vorsichtig sein, was er sage – schließlich könnte ihm jederzeit ein Unglück zustoßen. Hunderttausende demonstrierten nach seiner Ermordung in Istanbul und trugen Spruchbänder mit der Aufschrift „Wir alle sind Hrant Dink, wir alle sind Armenier“. Auch zu seiner Beisetzung kamen mehr als 100 000 Menschen. Der türkische Staat und Teile der Medien verurteilten die Tat, doch über die Ursachen dieses Lynchmords wurde kaum gesprochen.
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