Der äthiopische Theaterboom
Theater in Addis Abeba nach dem Ende des Sozialismus
von Aron Yeshitila
Erschienen in: Recherchen 77: Theater südlich der Sahara – Theatre in Sub-Saharan Africa (06/2010)
Assoziationen: Theatergeschichte Afrika
Nach der Entmachtung des sozialistischen Derg-Regimes im Juli 1991 entwickelte sich das Theater in Äthiopien zum festen Bestandteil städtischer Kultur und erfreut sich heute großer Beliebtheit. Die Theaterszene zeigt sich dabei zunehmend profitorientiert. Ein populäres Stück kann im Nationaltheater mit seinen 1500 Sitzplätzen sonntags über Jahre vor vollem Haus laufen. Das Hager Fikir Theater, die Addis Abeba City Hall und das Ras Theater haben je über hundert Festangestellte, die in den Schauspiel- und Musikabteilungen sowie in der Verwaltung arbeiten, im Nationaltheater sind 217 Angestellte beschäftigt. Die Einnahmen der Theater fließen der Regierung zu, die ihnen wiederum einen jährlichen Etat bereitstellt.
An diesen großen Bühnen gelangen neue Stücke auf zwei Arten zur Aufführung: Seit die Theater ihre administrative Autonomie wiedererlangt haben, suchen sie sich die Stücke, die sie inszenieren wollen, selbst aus und kaufen sie ein. Oder aber gewinnorientierte Privatensembles mieten die Theaterräumlichkeiten an, um ihr Stück an bestimmten Wochentagen aufzuführen. Ob privat oder von den Schauspielhäusern selbst produziert, ein Stück läuft Woche für Woche so lange, wie es Geld abwirft. Die Stücke werden mit Blick auf den Publikumsgeschmack inszeniert, sie sollen gefallen und dem Produzenten Einkünfte bescheren. Niemand wagt es, etwas Neuartiges zu produzieren, was von der allgemein praktizierten realistischen...