Auftritt
Deutsches Nationaltheater Weimar: Wilder Tanz mit der Geschichte
„Das Ballhaus (Le Bal)“ von Jan Neumann, Beate Seidel und Ensemble, nach einer Idee des Théâtre du Campagnol – Regie Jan Neumann, Musikalische Leitung Johannes Winde, Bühne Dorothee Curio, Kostüme Cary Gayler, Choreographie Louis Siens
von Michael Helbing
Assoziationen: Theaterkritiken Thüringen Beate Seidel Jan Neumann Deutsches Nationaltheater & Staatskapelle Weimar
Die Amerikaner kommen, die Russen auch. Es ist 1945 (in Weimar trafen erst die einen, dann die anderen ein). Ganz schnell weg also mit Hakenkreuzbinden, Braunhemden und blonden Zopfperücken. Das Zeug fliegt in die Gasse. Problem nur: Das Zeug fliegt immer wieder zurück auf die Bühne. Und die Hakenkreuzbinde taugt noch Jahrzehnte später zum Running Gag, während Neonazis, wird sind jetzt nach 1990, Pogo tanzen.
Erich und Margot Honecker (Bernd Lange und Elke Wieditz) tanzen auch: und zwar Walzer zum Tango. Es läuft eindeutig was in die falsche Richtung im Lande, das längst aus dem Takt geraten ist. Dann springt eine auf die Theke und Erich legt das Jagdgewehr an. Er wird in der Tat, was er im Geiste immer war: zum Mauerschützen.
Kurz darauf drängt das Volk hinter der Theke hervor und den Staatsratsvorsitzenden aus dem Bild, bevor eine (westdeutsche) Geschäftsfrau die Ossis buchstäblich über den Tisch zieht, einen nach dem anderen, bis auf die eine, die an diesem Abend zu jeder Zeit die Widerständige ist.
Anton aus Tirol kommt vom Skiurlaub und hustet ins Volksfest. Bald werden auch alle anderen husten. Ein Virus geht um. Und kurz vor dem Finale taucht ein Eisbär auf, um die Tatze auf...
Erschienen am 25.4.2023
