Das Theater leben: DIE HANDLUNG
71 Der bürgerliche Instinkt
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
Repressive Architektur nimmt überhand. „Gefrorene Musik.“ Ja, sie ist kalt. Und die „Musik“ ist eine, die den Hof erfreute. Die Priester. Den Kaiser. Die prätentiösen Geschäftsleute. Den Aufsichtsrat. Und das Parthenon? Was ist mit seiner Geometrie? Seiner Pracht? Schönheit und Philosophie genügen nicht.
Wer hat die Felsbrocken herbeigeschleppt? (Brecht) Wer hat die Bronze geschmolzen für Mies van der Rohes Whiskey-Gebäude?
Als ich siebzehn war, erfüllte uns die moderne Architektur mit Stolz: endlich, so glaubten wir, orientiert sich die Architektur, nach einem Jahrhundert der Orientierung am kleinbürgerlichen Geschmack, wieder an den Prinzipien der Kunst.
Die Architektur wird nicht mehr auf dem Altar des Kommerzes geopfert. Wie naiv wir waren!
Es gibt eigentlich keinen Unterschied zwischen Mies van der Rohes Whiskey-Gebäude und Versailles. Auch nicht zwischen der Millionärsarchitektur von Frank Lloyd Wright und den Burgen und Schlössern, die Europas Landschaften dominieren. Der Geschmack, den wir bewundern (?), ist der Geschmack der Sklavenherren, ihm dienten sich Wright und Mies van der Rohe an.
Folgerichtig entwarfen Wright und Mies van der Rohe zuletzt auch Justizgebäude und Gefängnisse.
Buckminster Fuller baut fürs Militär. Aufgepasst.
Der Prozess um die Chicago Seven, die Verschwörer (1970), fand neben tausend anderen Gerichtsverfahren in Mies van der Rohes Palast der...