ALS KIND, WÄHREND DES ZWEITEN WELTKRIEGS, ­lebte ich mit zwei meiner jüngeren Geschwister auf dem Land, in Westfalen, ohne Eltern. Wir wohnten bei entfernten Verwandten meiner Mutter, wechselten mehrfach die Dörfer. Heutige Medien existierten nicht, es gab weder Spielsachen noch Bücher.

Einmal durfte ich in einem Gemeindehaus eine Theaterinszenierung besuchen, die dort gastierte. Den österreicherndelnen Titel hatte ich gar nicht verstanden, und wahrscheinlich wussten auch die Erwachsenen nicht, um welche Story sich das Dreimäderlhaus drehte und wer Franz Schubert war. Der Titel jedoch klang ungefährlich für Kinder, also durfte ich aufbleiben. Von dieser Aufführung ist mir ein ganz unerwarteter Augenblickseffekt in Erinnerung geblieben. Ich im dunklen Saal, auf der Bühne gab es wenig, blasses Licht. Aber plötzlich bewegt sich die Schauspielerin und Sängerin so, dass neben ihr wie schwarz gemalt ihr Profil als Schatten auf einer hellen Wand erscheint. Mich rissen vor allem die langen (sicher angeklebten) Wimpern hin, mit denen sie ab und zu klapperte und die man in dem Gesicht kaum sah, aber als Schattenspiel umso schöner. Von dem Doppelspiel, mit Körper und mit Schatten, das eine andere Dimension der Wirklichkeit eröffnete, war ich hingerissen; vielleicht unbewusst noch beflügelt durch den Gesang, obwohl ich diesen Augenblick in Erinnerung...