Das Theater leben: DIE HANDLUNG
33 Den Widerstand von Zuschauer und Schauspieler brechen
von Julian Beck
Erschienen in: Das Theater leben – Der Künstler und der Kampf des Volkes (05/2021)
Den Widerstand von Zuschauer und Schauspieler zu brechen, das ist in Grotowskis Theorie zentral. Vor allem den Widerstand gegen Veränderung? Vor allem den.
Wenn der Arbeitsprozess sich zuspitzt und sich gegen uns verschwört. Akzeptiert das kollektive Unterbewusstsein nicht auch die gegenwärtige Herrschaftsform, das Patriarchat? Sind wir nicht alle versteinert von der Familie, der Wirtschaft, dem Gesetz, mit all ihren vorgefertigten Werten, die scheinbar ewig gelten? Ewig für uns, weil wir sterben, bevor sie sich ändern. Jetzt, da sich das ändert, was lebt: Das, was unorganisch ist, Stein, kann nur verändert werden, es kann sich selbst nicht ändern. Bleibt starr: Widerstand gegen die Alchemie. Der Prozess, in dem das Vorstellbare (das, was beschränkt ist) möglich wird und das Vorgestellte (das, was möglich ist) abgelehnt wird, aber nicht aufgrund eines stichhaltigen Realitätssinns (dem Wissen um das Mögliche), sondern aus Widerstand gegen Veränderung. Die Fantasie ausdehnen, das ist die wichtigste Rolle der Poesie. Poesie als Zaubertrank: Die Zuschauer stellen sich das Unvorstellbare vor (erste Hürde des Widerstands), spüren ihre Sehnsucht am ganzen Körper (zweite Hürde des Widerstands), schöpfen Hoffnung, legen ihre Verzweiflung ab (dritte Hürde des Widerstands), sind beseelt von ihrem Tun (vierte Hürde des Widerstands), erheben ihre Hände (fünfte Hürde des Widerstands),...