Theater der Zeit

Magazin

Schiffbruch an versunkener Küste

Tom Stoppard: Die Küste Utopias. Jussenhoven & Fischer, Köln 2013, 328 S., 16,90 EUR.

von Holger Teschke

Erschienen in: Theater der Zeit: Jammer und Glorie – Der Regisseur Krzysztof Warlikowski (12/2014)

„Unsere Literatur ist nichts als ein eleganter Zeitvertreib der Oberschicht, wie Tanzen oder Kartenspielen“, ruft Wissarion Belinski zu Beginn von Tom Stoppards Trilogie „Die Küste Utopias“ und fragt: „Wie ist uns diese Katastrophe zugestoßen?“ Mit Belinski begann auch Stoppards Interesse an der russischen Intelligenzija des 19. Jahrhunderts, angeregt durch Isaiah Berlins Klassiker „Russische Denker“ und eine Aufführung von Maxim Gorkis „Sommergäste“ in der Regie von Trevor Nunn, der 2004 auch die Uraufführung der Trilogie in London inszenierte. Doch Belinski, der Entdecker und Förderer von Gogol und Dostojewski, interessierte Stoppard nicht nur wegen seiner Kunstkritik. „Als er 1847 als todkranker Mann nach Paris kam, um sich von Herzen und Bakunin zu verabschieden, haben ihn die beiden beschworen: Geh nicht zurück nach Russland! Sie werden dich verhaften und nach Sibirien schicken! Aber er antwortete: Was nützt euch eure viel beschworene Freiheit, wenn keinen interessiert, was ihr schreibt? In Russland zwingt mich die Zensur zur Genauigkeit und meine Leser zu genauem Lesen“, so Stoppard in einem Gespräch über das Stück im Sommer 2004. „Ich habe das nach 1989 auch in Prag erlebt, als die Aufmerksamkeit, die Theater und Literatur vorher genossen, sich plötzlich in Luft auflöste. Das war ein Phänomen, über das ich...

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