Magazin
Linzers Eck: Schreiben, reden oder besser gleich gehen?
Beobachtungen zum Publikumsverhalten an Berliner Bühnen
von Martin Linzer
Erschienen in: Theater der Zeit: Nüchterner Rausch – Der Schauspieler Steven Scharf (04/2013)
Applaus (von lat. applaudere: Beifall klatschen) ist in Form von „Händeklatschen, Trampeln, Brüllen“ (Henschel-Theaterlexikon) eine alte Theatersitte. Auch gekaufter Applaus ist schon in der römischen Antike und im spanischen Barocktheater belegt, weit verbreitet war er im französischen Theater des 19. Jahrhunderts durch sogenannte Claqueure. Heute ist die Claque weitgehend ersetzt durch Ultra- Fangruppen, die vor allem in den Premieren der Berliner Schauspielhäuser auftreten und durch ihr Tarzangebrüll auffallen. Was aber macht der Durchschnitts-Theaterbesucher, wenn er sein Missfallen ausdrücken möchte? Seit – dank der Ultras – Pfeifen eher Zustimmung signalisiert und man sich zu einem „Buh“ nicht couragiert genug fühlt, bleibt nur der stumme Abgang. Oder?
Man kann natürlich schreiben, zum Beispiel an seine Tageszeitung. Aber Theaterthemen schaffen es selten auf die Leserbriefseite. Man kann ins Internet gehen. Wozu gibt es nachtkritik.de? Einige Theater legen im Foyer Gästebücher aus, die werden von Schreibwütigen (gern Wiederholungstäter) zu den putzigsten Einträgen genutzt (siehe Linzers Eck in TdZ 2/2013), manchmal wird aber auch nur um Zusendung des Monatsplans gebeten.
Man kann versuchen, miteinander zu reden. In der „Ehemaligen“ war das Foyergespräch nach der Vorstellung eine feste Einrichtung (das Berliner Ensemble hat auch diese Tradition aufgegriffen), meine Erfahrung sagt allerdings, dass die Gespräche nur dann...