Die Widersprüche einer Stadtgesellschaft abbilden
Gedanken zum 150. Geburtstag des Theaters Altenburg
von Ulrich Khuon
Erschienen in: 150 Jahre Theater Altenburg (04/2021)
März 2017. In Altenburg hatte ein selbsternanntes „Bürgerforum“ zum Boykott des Theaters aufgerufen. Hintergrund waren Solidarisierungen aus dem Theater mit Geflüchteten, die in Altenburg lebten, ein diverses Ensemble, welches von Schauspieldirektor Bernhard Stengele sehr bewusst zusammengestellt worden war, und eine als Provokation empfundene Besetzung des Wilhelm Voigt im Hauptmann von Köpenick mit dem Schauspieler Ouelgo Téné aus Burkina Faso. Ein exemplarischer Vorgang, der weit über Altenburg hinaus Beachtung fand. Der Versuch, mit den Mitteln des Theaters die Widersprüche einer Stadtgesellschaft abzubilden, die Stadt also mit ihren eigenen brennenden Fragestellungen zu beschäftigen und zwar nicht auf polarisierende oder dogmatisch vereinfachende Weise, sondern theatral reflektierend, dieser Versuch war auf Widerstand gestoßen. Fronten wurden sichtbar, Theater als relevant, ja gefährlich empfunden. Gefährlich wirksam, denn es war ihm offensichtlich gelungen, Widersprüche, wie sie derzeit viele Regionen in ganz Europa kennen, nicht den Stammtischen und Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern zu überlassen. Ein differenzierter, ästhetisch geformter Dialog war gefragt und vom Altenburger Theater eingefordert worden.
In diese Erregung hinein platzte die Frage, ob solch eine Krise, überregional diskutiert, nicht dem Image der Stadt schade? Der Oberbürgermeister der Stadt, Michael Wolf, hatte die Idee, all dies mit einem Bürgerdialog im Rathaus zu besprechen, und er hatte mich als...